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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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nicht vom Zir­kus ist? Ir­gend­ein
net­ter Bett­ha­se?»
    Er
schüt­telt sei­nen schma­len Kopf. «Das ist nicht so ein­fach, Lud­wig. Über Lie­be
weiß ich al­les. See­li­sche Lie­be, mei­ne ich. Da brau­che ich nichts mehr, das
ha­be ich. Was ich brau­che, ist Lei­den­schaft, bru­ta­le, wil­de Lei­den­schaft.
Pur­pur­nes, ra­sen­des Ver­ges­sen. De­li­ri­um!»
    Er
knirscht bei­na­he mit sei­nen klei­nen Zäh­nen. Er ist Leh­rer in ei­nem win­zi­gen
Dorf in der Nä­he der Stadt, und da fin­det er das na­tür­lich nicht. Je­der will
dort hei­ra­ten oder meint, Ot­to sol­le hei­ra­ten, ein bra­ves Mäd­chen, das gut
kocht, mit ei­ner schö­nen Aus­steu­er. Das will Ot­to aber nicht. Er fin­det, als
Dich­ter müs­se er sich aus­le­ben. «Das Schwie­ri­ge ist, daß ich die bei­den nicht
zu­sam­men­krie­gen kann», er­klärt er düs­ter. «Die himm­li­sche und die ir­di­sche Lie­be.
Lie­be ist für mich so­fort sanft, voll Hin­ga­be, Op­fer und Gü­te. Der
Ge­schlechts­trieb wird da­bei auch sanft und häus­lich. Je­den Sonn­abend­a­bend, du
ver­stehst, da­mit man sonn­tags aus­schla­fen kann. Ich brau­che aber et­was, das nur
Ge­schlechts­trieb ist, oh­ne al­les an­de­re, et­was, in das man sich ver­bei­ßen kann.
Scha­de, ich hör­te, du hät­test ei­ne Tra­pez­künst­le­rin.»
    Ich
be­trach­te Bam­buss mit neu­em In­ter­es­se. Himm­li­sche und ir­di­sche Lie­be – er al­so
auch! Die Krank­heit scheint ver­brei­te­ter zu sein, als ich dach­te. Ot­to trinkt
ein Glas Wald­meis­ter­li­mo­na­de und sieht mich mit sei­nen blas­sen Au­gen an.
Wahr­schein­lich hat er er­war­tet, daß ich auf Ger­da so­fort ver­zich­ten wür­de, um
sei­ner Kunst Ge­schlechts­tei­le wach­sen zu las­sen. «Wann ge­hen wir ein­mal ins
Freu­den­haus?» fragt er weh­mü­tig. «Du hast mir das doch ver­spro­chen.»
    «Bald.
Aber es ist kein pur­pur­ner Pfuhl der Sün­de, Ot­to.»
    «Ich
ha­be nur noch zwei Wo­chen Fe­ri­en. Dann muß ich wie­der auf mein Dorf zu­rück, und
al­les ist aus.»
    «Wir
ma­chen es vor­her. Hun­ger­mann möch­te auch hin. Er braucht es für sein neu­es
Dra­ma ,Ca­sa­no­va‘. Wie wä­re es mit ei­nem ge­mein­sa­men Aus­flug?»
    «Um
Got­tes wil­len! Ich darf nicht ge­se­hen wer­den! Bei mei­nem Be­ruf!»
    «Ge­ra­de
des­halb! Ein Aus­flug ist harm­los. Der Puff hat ei­ne Art Knei­pe in den un­te­ren Räu­men.
Da ver­kehrt, wer will.»
    «Na­tür­lich
ge­hen wir», sagt Hun­ger­mann hin­ter mir. «Al­le zu­sam­men. Wir ma­chen ei­ne
Stu­dienex­pe­di­ti­on. Rein wis­sen­schaft­lich. Eduard will auch mit.»
    Ich
dre­he mich nach Eduard um, um den über­le­ge­nen So­nett­koch mit sar­kas­ti­scher So­ße
zu über­gie­ßen – aber das ist schon nicht mehr not­wen­dig. Eduard sieht plötz­lich
aus, als hät­te er ei­ne Schlan­ge vor sich. Ein schlan­ker Mensch hat ihm so­eben
auf die Schul­ter ge­klopft. «Eduard, al­ter Ka­me­rad!» sagt er jetzt
freund­schaft­lich. «Wie geht es dir? Freust dich, daß du noch lebst, was?»
    Eduard
starrt den schlan­ken Mann an. «Heut­zu­ta­ge?» würgt er her­aus.
    Er
ist erblaßt. Sei­ne feis­ten Ba­cken hän­gen plötz­lich her­un­ter, sei­ne Schul­tern
hän­gen, sei­ne Lip­pen, sei­ne Lo­cken, ja selbst sein Bauch hängt. Er ist im
Handum­dre­hen ei­ne fet­te Trau­er­wei­de ge­wor­den.
    Der
Mann, der das al­les ver­ur­sacht hat, heißt Va­len­tin Busch. Er ist ne­ben Ge­org
und mir die drit­te Pest in Eduards Da­sein, und nicht nur das – er ist Pest,
Cho­le­ra und Pa­ra­ty­phus zu­sam­men. «Du siehst blü­hend aus, mein Jun­ge», er­klärt
Va­len­tin Busch herz­lich.
    Eduard
lacht hohl. «Aus­se­hen macht es nicht. Man wird auf­ge­fres­sen von Steu­ern, Zin­sen
und Die­ben ...»
    Er
lügt. Steu­ern und Zin­sen be­deu­ten im Zeit­al­ter der In­fla­ti­on über­haupt nichts;
man zahlt sie nach ei­nem Jahr, das heißt, so gut wie über­haupt nicht. Sie sind
dann längst ent­wer­tet. Und der ein­zi­ge Dieb, den Eduard kennt, ist er selbst.
    «An
dir ist we­nigs­tens was dran zu fres­sen», er­wi­dert Va­len­tin lä­chelnd und
er­bar­mungs­los. «Das dach­ten die Wür­mer in Flan­dern auch, als sie schon
aus­zo­gen, dich zu

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