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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ver­reckt.»
    «Das
mei­ne ich», er­klärt Eduard, auf­at­mend, Hil­fe ge­fun­den zu ha­ben. Er wischt sich
die Stirn. Sei­ne Lo­cken sind naß, so hat ihn die letz­te Dro­hung Va­len­tins
er­schreckt. Er sah schon einen Pro­zeß um das «Wal­hal­la» vor sich. «Al­so
mei­net­we­gen, für die­ses Mal», sagt er rasch, um nicht wei­ter be­drängt zu
wer­den. «Kell­ner, ei­ne hal­be Fla­sche Mo­sel.»
    «Jo­han­nis­ber­ger
Lan­gen­berg, ei­ne gan­ze Fla­sche», kor­ri­giert Va­len­tin und wen­det sich an mich.
«Darf ich dich zu ei­nem Glas ein­la­den?»
    «Und
ob!» er­wi­de­re ich.
    «Halt!»
sagt Eduard. «Das war be­stimmt nicht in der Ab­ma­chung! Sie war nur für Va­len­tin
al­lein! Lud­wig kos­tet mich oh­ne­hin schon je­den Tag schwe­res Geld, der
Blut­sau­ger mit den ent­wer­te­ten Eß­mar­ken!»
    «Sei
ru­hig, du Gift­mi­scher», er­wi­de­re ich. «Dies ist ge­ra­de­zu ei­ne
Kar­ma-Ver­knüp­fung. Du schießt auf mich mit So­net­ten, ich ba­de mei­ne Wun­den
da­für in dei­nem Rhein­wein. Willst du, daß ich ei­ner ge­wis­sen Da­me einen
Zwölf­zei­ler in der Art des Are­ti­no über die­se Si­tua­ti­on zu­schi­cke, du Wu­che­rer
an dei­nem Le­bens­ret­ter?»
    Eduard
ver­schluckt sich. «Ich brau­che fri­sche Luft», mur­melt er wü­tend. «Er­pres­ser!
Zu­häl­ter! Schämt ihr euch ei­gent­lich nie?»
    «Wir
schä­men uns über schwie­ri­ge­re Din­ge, du harm­lo­ser Mil­lio­nen­zäh­ler.» Va­len­tin
und ich sto­ßen an. Der Wein ist her­vor­ra­gend.
    «Wie
ist es mit dem Be­such im Haus der Sün­de?» fragt Ot­to Bam­buss, scheu
vor­über­glei­tend.
    «Wir
ge­hen be­stimmt, Ot­to. Wir sind es der Kunst schul­dig.»
    «Warum
trinkt man ei­gent­lich am liebs­ten bei Re­gen?» fragt Va­len­tin und schenkt neu
ein. «Es müß­te doch um­ge­kehrt sein.»
    «Möch­test
du für al­les im­mer ei­ne Er­klä­rung ha­ben?»
    «Na­tür­lich
nicht. Wo blie­be sonst die Un­ter­hal­tung? Mir ist das nur auf­ge­fal­len.»
    «Viel­leicht
ist es der Her­den­trieb, Va­len­tin. Flüs­sig­keit zu Flüs­sig­keit.»
    «Mag
sein. Aber ich pis­se auch öf­ter an Ta­gen, wenn es reg­net. Das ist doch
zu­min­dest son­der­bar.»
    «Du
pißt mehr, weil du mehr trinkst. Was ist dar­an son­der­bar?»
    «Stimmt.»
Va­len­tin nickt er­leich­tert. «Dar­an ha­be ich nicht ge­dacht. Führt man auch mehr
Krie­ge, weil mehr Men­schen ge­bo­ren wer­den?»

XII
    Bo­den­diek streicht wie ei­ne
große schwar­ze Krä­he durch den Ne­bel. «Nun», fragt er jo­vi­al. «Ver­bes­sern Sie
noch im­mer die Welt?»
    «Ich
be­trach­te sie», er­wi­de­re ich.
    «Aha!
Der Phi­lo­soph! Und was fin­den Sie?»
    Ich
schaue in sein mun­te­res Ge­sicht, das rot und naß vom Re­gen un­ter dem Schlapp­hut
leuch­tet. «Ich fin­de, daß das Chris­ten­tum die Welt in zwei­tau­send Jah­ren nicht
we­sent­lich wei­ter­ge­bracht hat», er­wi­de­re ich.
    Einen
Au­gen­blick ver­än­dert sich die wohl­wol­lend über­le­ge­ne Mie­ne; dann ist sie wie­der
wie vor­her. «Mei­nen Sie nicht, daß Sie ein biß­chen jung für sol­che Ur­tei­le
sind?»
    «Ja
– aber fin­den Sie nicht, daß es ein trost­lo­ses Ar­gu­ment ist, je­mand sei­ne
Ju­gend vor­zu­wer­fen? Ha­ben Sie nichts an­de­res?»
    «Ich
ha­be ei­ne gan­ze Men­ge an­de­res. Aber nicht ge­gen sol­che Al­bern­hei­ten. Wis­sen Sie
nicht, daß je­de Ver­all­ge­mei­ne­rung ein Zei­chen von Ober­fläch­lich­keit ist?»
    «Ja»,
sa­ge ich mü­de. «Ich ha­be das auch nur ge­sagt, weil es reg­net. Im üb­ri­gen ist
et­was dar­an. Ich stu­die­re seit ei­ni­gen Wo­chen Ge­schich­te, wenn ich nicht
schla­fen kann.»
    «Warum?
Auch weil es ab und zu reg­net?»
    Ich
igno­rie­re den harm­lo­sen Schuß. «Weil ich mich vor vor­zei­ti­gen Zy­nis­mus und
lo­ka­ler Ver­zweif­lung be­wah­ren möch­te. Es ist nicht je­der­manns Sa­che, mit
ein­fa­chem Glau­ben an die hei­li­ge Drei­fal­tig­keit dar­über hin­weg­zu­se­hen, daß wir
mit­ten drin sind, einen neu­en Krieg vor­zu­be­rei­ten – nach­dem wir ge­ra­de einen
ver­lo­ren ha­ben, den Sie und Ih­re Her­ren Kol­le­gen von den ver­schie­de­nen
pro­tes­tan­ti­schen Be­kennt­nis­sen im Na­men Got­tes und der

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