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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Lie­be zum Nächs­ten
ge­seg­net und ge­weiht ha­ben – ich will zu­ge­ben, Sie et­was ge­dämpf­ter und
ver­le­ge­ner – Ih­re Kol­le­gen da­für um so mun­te­rer, in Uni­form, mit den Kreu­zen
ras­selnd und sieg­schnau­bend.»
    Bo­den­diek
schüt­telt den Re­gen von sei­nem schwar­zen Hut. «Wir ha­ben den Ster­ben­den im
Fel­de den letz­ten Trost ge­spen­det – das schei­nen Sie völ­lig ver­ges­sen zu
ha­ben.»
    «Sie
hät­ten es nicht da­zu kom­men las­sen sol­len! Warum ha­ben Sie nicht ge­streikt?
Warum ha­ben Sie Ih­ren Gläu­bi­gen den Krieg nicht ver­bo­ten? Das wä­re Ih­re Auf­ga­be
ge­we­sen. Aber die Zei­ten der Mär­ty­rer sind vor­bei. Da­für ha­be ich oft ge­nug,
wenn ich zum Feld­got­tes­dienst muß­te, die Ge­be­te um die Sie­ge un­se­rer Waf­fen
ge­hört. Glau­ben Sie, daß Chris­tus für den Sieg der Ga­li­lä­er ge­gen die Phi­lis­ter
ge­be­tet hät­te?»
    «Der
Re­gen», er­wi­dert Bo­den­diek ge­mes­sen, «scheint Sie un­ge­wöhn­lich emo­tio­nell und
dem­ago­gisch zu ma­chen. Sie wis­sen an­schei­nend schon recht gut, daß man auf
ge­schick­te Wei­se, mit Aus­las­sun­gen, Um­dre­hun­gen und ein­sei­ti­ger Dar­stel­lung,
al­les in der Welt an­grei­fen und an­greif­bar ma­chen kann.»
    «Das
weiß ich. Des­halb stu­die­re ich ja Ge­schich­te. Man hat uns in der Schu­le und im
Re­li­gi­ons­un­ter­richt im­mer von den dunklen, pri­mi­ti­ven, grau­sa­men
vor­christ­li­chen Zei­ten er­zählt. Ich le­se das nach und fin­de, daß wir nicht viel
bes­ser sind – ab­ge­se­hen von den Er­fol­gen in Tech­nik und Wis­sen­schaft. Die aber
be­nut­zen wir zum größ­ten Teil nur, um mehr Men­schen tö­ten zu kön­nen.»
    «Wenn
man et­was be­wei­sen will, kann man al­les be­wei­sen, lie­ber Freund. Das Ge­gen­teil
auch. Für je­de vor­ge­faß­te Mei­nung las­sen sich Be­wei­se er­brin­gen.»
    «Das
weiß ich auch», sa­ge ich. «Die Kir­che hat das auf das bril­lan­tes­te vor­ge­macht,
als sie die Gno­s­ti­ker er­le­dig­te.»
    «Die
Gno­s­ti­ker! Was wis­sen denn Sie von de­nen?» fragt Bo­den­diek mit be­lei­di­gen­dem
Er­stau­nen.
    «Ge­nug,
um den Ver­dacht zu ha­ben, daß sie der to­le­ran­te­re Teil des Chris­ten­tums wa­ren.
Und al­les, was ich bis jetzt in mei­nem Le­ben ge­lernt ha­be, ist, To­le­ranz zu
schät­zen.»
    «To­le­ranz
...» sagt Bo­den­diek.
    «To­le­ranz!»
wie­der­ho­le ich. «Rück­sicht auf den an­de­ren. Ver­ständ­nis für den an­de­ren. Je­den
auf sei­ne Wei­se le­ben las­sen. To­le­ranz, die in un­serm ge­lieb­ten Va­ter­lan­de ein
Fremd­wort ist.»
    «Mit
ei­nem Wort, An­ar­chie», er­wi­dert Bo­den­diek lei­se und plötz­lich sehr scharf.
    Wir
ste­hen vor der Ka­pel­le. Die Lich­ter sind an­ge­zün­det, und die bun­ten Fens­ter
schim­mern tröst­lich in den we­hen­den Re­gen. Aus der of­fe­nen Tür kommt der
schwa­che Ge­ruch von Weih­rauch. «To­le­ranz, Herr Vi­kar», sa­ge ich. «Nicht
An­ar­chie, und Sie wis­sen den Un­ter­schied. Aber Sie dür­fen ihn nicht zu­ge­ben,
weil Ih­re Kir­che ihn nicht hat. Sie sind al­lein­se­lig­ma­chend! Nie­mand be­sitzt
den Him­mel, nur Sie! Kei­ner kann los­spre­chen, nur Sie! Sie ha­ben das Mo­no­pol.
Es gibt kei­ne Re­li­gi­on au­ßer der Ih­ren! Sie sind ei­ne Dik­ta­tur! Wie kön­nen Sie
da to­le­rant sein?»
    «Wir
brau­chen es nicht zu sein. Wir ha­ben die Wahr­heit.»
    «Na­tür­lich»,
sa­ge ich und zei­ge auf die er­leuch­te­ten Fens­ter. «Das dort! Trost für
Le­bens­angst. Den­ke nicht mehr; ich weiß al­les für dich! Die Ver­spre­chung des
Him­mels und die Dro­hung mit der Höl­le – spie­len auf den ein­fachs­ten Emo­tio­nen –
was hat das mit der Wahr­heit zu tun, die­ser Fa­ta Mor­ga­na un­se­res Ge­hirns?»
    «Schö­ne
Wor­te», er­klärt Bo­den­diek, längst wie­der fried­lich, über­le­gen und leicht
spöt­tisch.
    «Ja,
das ist al­les, was wir ha­ben – schö­ne Wor­te», sa­ge ich, är­ger­lich über mich
selbst. «Und Sie ha­ben auch nichts an­de­res – schö­ne Wor­te.»
    Bo­den­diek
tritt in die Ka­pel­le. «Wir ha­ben die hei­li­gen Sa­kra­men­te ...»
    «Ja
...»
    «Und
den Glau­ben, der nur Schwach­köp­fen,

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