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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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schnalzte mit übertriebenem Mitgefühl mit der Zunge, und Kate musste an sich halten, um ihn nicht rückwärts die Treppe hinunterzuwerfen.
    Fest packte sie Michael an der Hand. »Hör gar nicht auf ihn.«
    Schweigend stiegen sie weiter nach oben und eine halbe Stunde später betraten sie die tote Stadt.

    Die Kreischer brachten Michael, Kate und die Zwerge durch zerstörte, mit Schutt übersäte und kaum passierbare Straßen, die zu beiden Seiten von ausgehöhlten Häuserruinen flankiert waren. Über ihnen zischten die Gaslampen und badeten alles in einen gelblich-grünen Schimmer. Überall waren Kreischer. Es schien unendlich viele dieser schwarz gewandeten Untoten zu geben. Endlich blieb der Trupp an einem Abgrund stehen, wo sich Kates Vermutung nach früher einmal das Zentrum der Stadt befunden haben musste. Vier riesige Käfige waren errichtet worden, und die Kinder sahen, wie eine Anzahl hagerer, hohlwangiger Männer von einem Trupp Kreischer in einen davon getrieben wurden. In den anderen Käfigen befanden sich ebenfalls Männer, insgesamt etwa sechzig oder siebzig. Sie saßen oder standen teilnahmslos da, wie Geister, aber als sie sich der Anwesenheit der Zwerge und mehr noch – so kam es Kate jedenfalls vor – der Geschwister bewusst wurden, versammelten sie sich an den Gittern der Käfige und starrten die Kinder aus tief in Höhlen liegenden Augen an.
    Cavendish, der Sekretär, zischte einen Befehl, woraufhin Michael und die Zwerge zu einem der Käfige gezerrt wurden, während sich Cavendishs kalte, feuchte Hand um Kates Handgelenk legte und sie zu einem der zerstörten Gebäude zog, die um den Platz standen.
    Er brachte sie in ein Zimmer im zweiten Stock und schloss die Tür.
    »Setz dich, meine Liebe.«
    In dem Raum befanden sich lediglich zwei Stühle, ein Tisch und eine Gaslampe, die an einer Kette von der Decke herabhing. Die Art von Möblierung, verbunden mit der überaus ungemütlichen Atmosphäre, erinnerte Kate an Miss Crumleys
Büro im Waisenhaus. Wie lange war das her? Einen Monat? Ein Jahr? War es überhaupt schon geschehen? Natürlich fehlte in Miss Crumleys Büro keine Wand, wie hier. Kate trat an den Rand des Abgrunds, in der Hoffnung, Michael irgendwo da unten zu sehen.
    Der Sekretär hieb mit der flachen Hand auf den Tisch und Kate zuckte zusammen.
    »Brave Kinder tun, was man ihnen sagt. Also, bittebittebitte, setz dich hin !«
    Zögernd trat Kate zu dem Stuhl und setzte sich. Der Mann ihr gegenüber verschränkte die Hände und machte den Versuch eines Lächelns. Erst da sah Kate den winzigen gelben Vogel aus seiner Jacke spähen. Eine Sekunde lang waren Kopf und Schnabel sichtbar, dann verschwand beides wieder. Der Mann schien nichts bemerkt zu haben. Er starrte Kate mit einem gierigen Ausdruck in den Augen an.
    »So, meine Liebe, du hast also das Gewölbe geöffnet.«
    Kate zuckte mit den Schultern.
    »Und du hast keine Ahnung, was das bedeutet, nicht wahr? Aber ich weiß es. Ich habe es gleich gesehen. Ja, in dem Moment, in dem ich dich sah. Sogar noch vor der Gräfin habe ich es begriffen.« Während des Sprechens verknotete er die Finger. »Das Zwerglein, das wir zuerst gefangen nahmen, erzählte uns, du seiest als Einzige in der Lage gewesen, das Gewölbe zu öffnen. Und dass du das Buch berührt hast und – schwupps! – verschwunden bist. Dann kamst du zurück, aber ohne Buch. Nur du allein. Und der dämliche Trottel Hamish war nicht glücklich darüber, nicht wahr?« Er schnalzte mit der Zunge. »Gar nicht glücklich. Verständlich. Aber«, sagte er und warf Kate wieder dieses boshafte Lächeln zu, »kommen wir zur Sache: Was genau
geschah, als du das Buch berührtest? Und bitte sei bei deiner Schilderung so präzise wie möglich.«
    Kate blieb stumm.
    »Wie? Du willst nicht reden? Aber natürlich. Du bist ja so tapfer. Was für ein Kämpferherz! Aber …« Er wandte sich ab und stieß einen Pfiff aus. Ein paar Augenblicke später öffnete sich die Tür und ein Kreischer trat ein, bewaffnet mit einer gefährlich aussehenden Armbrust. Er bezog hinter Kate Stellung, genau dort, wo die Wand fehlte und man den gesamten Platz überblicken konnte. Entsetzt sah Kate zu, wie er einen Bolzen einlegte und die Sehne spannte.
    »Was macht er denn da?!«
    »Nun, er wird jemanden töten. Ich werde nicht so tun, als ob ich deinem Bruder Schaden zufügen wollte. Ihr beide seid viel zu wertvoll. Aber für jede meiner Fragen, die du unbeantwortet lässt, wird er einen Mann aus dem Dorf töten,

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