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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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beiden Kreischern, die Wache standen. Einer war durch Pfeile ausgeschaltet worden, der andere durch
Gabriels Machete. Emma war erstaunt, wie leise sich diese großen, schwer bewaffneten Männer bewegten. Sie waren wie tödliche Schemen, die durch die Ruinen huschten, und es versetzte sie in Erregung, an ihrer Seite zu sein.
    Gabriel ließ sie an einer verfallenen Mauer, etwa einen Block vom Stadtzentrum entfernt, anhalten. Sie waren jetzt den Gaslampen nahe genug, um gut sehen zu können, und Emma konnte die Schreie und das Peitschenknallen hören. Sie spähte die Mauer entlang und sah die Männer einen nach dem anderen in Gassen und Gebäuden verschwinden und so dem Ort, wo sich die Käfige und die Kreischer befanden, näher rücken.
    Dena war neben ihr. Gabriel hatte die beiden Mädchen in die Obhut eines jungen Kriegers gegeben, der nur wenige Jahre älter war als sie, und ihm die strikte Anweisung gegeben, sie aus jeglicher Gefahr herauszuhalten.
    Dena stieß Emma in die Seite, und gemeinsam mit ihrem Aufpasser, Gabriel und einem halben Dutzend Männer schlüpften sie durch eine Lücke in der Mauer ins Erdgeschoss eines Gebäudes am Rande des Platzes.
    Emma musste an etwas denken, was vor ein paar Monaten geschehen war. Sie, Kate, Michael und die anderen Kinder vom Edgar-Allan-Poe-Waisenhaus hatten sich ein Baseballspiel in Baltimore anschauen dürfen. Emma konnte sich nicht mehr an das eigentliche Spiel erinnern. Woran sie sich aber erinnerte, waren die Dunkelheit, der lange Tunnel, den sie entlanggehen mussten, die gedämpften Geräusche der Menschenmenge und dann die Explosion aus Licht, als sie das Stadion betraten. So war es auch jetzt, als sie mit Dena an der leeren Fensterhöhle kauerte und in das grelle Licht blickte, das die Szene vor ihnen beleuchtete.

    Auf dem Platz befanden sich mindestens drei Dutzend Morum Cadi. Die meisten standen in der Nähe der vier großen Käfige. In den Käfigen kauerten nach Emmas Schätzung etwa sechzig Männer. Ihr Herz floss über vor Mitleid. Sie dachte an die Gräfin, an ihre feinen Kleider und die geisterhaften, prächtigen Gesellschaften in dem großen Haus in Cambridge Falls. Jemand sollte sie in einen Käfig sperren! Mal sehen, wie ihr das gefiel!
    Emma machte nie halbe Sachen und so sperrte sie in Gedanken Miss Crumley gleich mit ein. Sie wusste zwar, dass die Leiterin des Waisenhauses der Gräfin an Bosheit nicht das Wasser reichen konnte, aber wenn sie schon Leute in Käfige sperrte – und sei es nur in ihrer Fantasie –, dann konnte sie gleich reinen Tisch machen.
    Emmas Blick blieb an einer Gruppe in dem am weitesten entfernten Käfig hängen. Die Gestalten waren nur halb so groß wie die Männer, und einen Augenblick lang dachte sie, es seien Kinder. Dann entdeckte sie die Bärte und die kräftigen Arme und Beine und erkannte, dass sie eine Gruppe von Zwergen vor Augen hatte. Emma dachte, dass Michael vermutlich neunzehn Herzanfälle auf einmal bekommen würde, wenn er hier wäre. Sie konnte seine Faszination für die Angehörigen dieses Volkes nicht ganz nachvollziehen: Sie waren klein und ihre Bärte sahen irgendwie lustig aus, aber sie würde jetzt keinen Ohnmachtsanfall bekommen und auch keinen Fanclub gründen. Und gerade als sie das dachte, rückte der größte der Zwerge, derjenige mit dem schmutzigen blonden Bart, der die ganze Zeit die Kreischer beschimpfte, ein Stück zur Seite – und Emma keuchte auf.
    Die gezischte Warnung des jungen Kriegers nicht beachtend, sauste Emma an Dena vorbei zu der Spalte in der Mauer, wo Gabriel kniete. Er hatte den Bogen in der Hand und legte gerade
einen mächtigen schwarzen Pfeil an. Emma packte ihn am Arm und deutete nach unten. Sie musste sich beherrschen, um nicht laut zu schreien. In dem Käfig, in dem auch die Zwerge eingesperrt waren, stand eine kleine Gestalt, die sie kannte. Selbst aus der Entfernung konnte sie die Kleidungsstücke erkennen, die ihr so vertraut waren, und den Ausdruck von Verwirrung und Angst auf dem Gesicht ihres Bruders. Es war Michael. Neben ihm stand ein schwarzbärtiger Zwerg und hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt.
    Gabriel nickte und gab ihr zu verstehen, dass er Michael bereits gesehen hatte. Dann deutete er zu einem Gebäude auf der anderen Seite des Platzes.
    Die gesamte Front des Gebäudes fehlte. Emma konnte geradewegs in die Zimmer hineinsehen. Und da, im zweiten Stock, zwischen einem Kreischer und einer kurz gewachsenen Gestalt in einem Anzug, die sie sogleich als den

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