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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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wollen«, sagte Emma, »warum fliehen die Kinder dann nicht einfach – genau wie wir?«
    Abraham lachte kurz auf. »Sie ist klug, die Hexe. Sie hält alle getrennt voneinander gefangen, die Kinder, Mütter und Väter. Diese Monster, die Kreischer, bewachen sie. Diese Küken wissen, dass ihre Eltern aufs Schiff gebracht und gefoltert werden, wenn sie fliehen. Vielleicht sogar getötet.«
    Stephen trat vor und flüsterte Abraham etwas ins Ohr. Der nickte.
    »Ich muss nach einem sehen, der krank ist. Dann gehen wir.«
    Er folgte Stephen zu einem Bett ein paar Meter entfernt. Kate spürte, wie jemand an ihrer Hand zupfte. Annie stand neben ihr, die neue Puppe in der Hand. Das kleine Mädchen streckte die Arme aus. Kate begriff sofort. Die meisten Kinder hier waren in Emmas Alter oder jünger. Abgesehen von dem Tag am Damm hatten sie ihre Mütter vielleicht seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie, Kate, kam einer Mutter am nächsten. Kate hob
das Mädchen auf und Annie schlang ihre dünnen Arme um Kates Hals.
    »Kate«, sagte Emma.
    Sie drehte sich um. Etwa zwanzig kleine Kinder hatten sich um sie versammelt. Sie starrten Kate und Annie mit sehnsuchtsvollen Augen an. Kate fühlte, wie ihr Herz vor Schmerz heftig hämmerte, und sie wünschte, sie hätte sie alle trösten können.
    Abraham kam mit Stephen zurück. »Alles klar. Gehen wir. Man kann nie wissen, wann sie eine von diesen lebenden Leichen schickt, um nach euch zu sehen.«
    Kate setzte Annie ab.
    »Gehst du weg?«, fragte Annie.
    Ohne nachzudenken, sagte Kate: »Ich komme wieder, das verspreche ich.«
    »Das meint sie nicht ernst«, sagte Stephen McClattery.
    »Oh doch, das tut sie!«, widersprach Michael heftig. Alle schauten ihn überrascht an. »Wenn meine Schwester etwas sagt, dann meint sie es auch. Sie ist ja auch wegen mir zurückgekommen, stimmt’s?« Er schaute Kate und Emma an. Seine Augen glänzten im Licht der Lampe. »Wenn sie sagt, dass sie zurückkommt, dann kommt sie zurück.«
    »Das stimmt«, mischte sich Emma ein. »Und wenn irgendjemand von euch noch einmal versuchen sollte, meinen Bruder aufzuhängen, dann muss er mich zuerst hängen!« Sie nickte Michael knapp zu, und Kate wusste, dass alles vergeben war.
    »Beeilt euch«, sagte Abraham, und er trat durch die Tür in den Geheimgang. Kate folgte Emma und Michael. Sie warf einen Blick zurück auf die geisterhaften Gesichter von Stephen und Annie und den anderen Kindern. Dann schloss Abraham die Tür mit einem leisen Klicken und alles war dunkel.

    »Wartet einen Moment«, flüsterte Abraham. Sie hörten, wie er durch den Gang davonschlich.
    Die Luft war modrig und abgestanden und sie drängten sich in dem engen Gang dicht aneinander. Kate fühlte Michael zittern, und sie wusste, dass er weinte. Als er sprach, klang seine Stimme belegt.
    »Ich dachte … ich könnte auch mal etwas tun. Du hast dich all die Jahre um uns gekümmert, Kate. Ich dachte, nur ein einziges Mal könnte ich …«
    »Schon gut.«
    »Ich weiß, dass Mom und Dad zurückkommen. Ich hätte nicht …«
    »Schon gut. Wirklich.«
    »Ja«, sagte Emma. »Aber mach so was Blödes nie wieder!«
    Und dort, in der Dunkelheit, fassten sie sich an den Händen.
    Abraham kehrte zurück und brachte den Geruch nach Regen und Schlamm mit.
    »Alles klar. Wir können kein Licht riskieren, also werden wir nur langsam vorwärtskommen. Der Regen ist ein Glück für uns, aber seid trotzdem so leise, wie ihr könnt. Unser aller Leben hängt davon ab.«
    Er ging voraus, Emma hinter ihm, dann Michael und zum Schluss Kate.
    Der Gang war recht schmal und niedrig, und Abraham raunte ihnen hin und wieder eine Warnung zu, wenn sie sich ducken oder über ein Loch oder ein auf dem Boden liegendes Brett steigen mussten. Hier und da stachen Nadeln aus Licht durch die Wände. Aber meistens konnte Kate nur gerade eben die Umrisse von Michaels Kopf erkennen. Abraham führte sie, links, rechts, eine Treppe hinauf und zwei wieder hinunter. Nach etwa
zehn Minuten in diesen labyrinthartigen Gängen blieb er stehen. Es war heller geworden und sie konnten einander jetzt besser sehen. Abraham legte einen Finger an die Lippen und forderte sie auf, noch leiser zu sein.
    Das war auch bitter nötig, denn als sie um die nächste Ecke bogen, wartete dort schon die Gräfin auf sie. Sie befand sich in einem der vielen Wohnzimmer des Hauses und starrte durch ein ovales Fenster, das in die Wand eingelassen war, die ihr Zimmer von dem Gang trennte. Emma stieß unwillkürlich ein

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