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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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Regeln.« Wenn es um Hinrichtungen ging, war der Junge scheinbar in seinem Element. Er zog Michael die Schlinge über den Kopf, und wieder erhob sich der Sprechgesang: »Hängt ihn auf! Hängt ihn auf!« Die Kinder zerrten Michael mit sich. Kate war klar, dass sie würde kämpfen müssen. Sie würde gegen Stephen McClattery kämpfen müssen und ihn besiegen. Wenn sie das schaffte, würden die anderen Kinder von Michael ablassen. Sie wollte sich schon auf den Jungen stürzen, als sich eine Stimme erhob – eine Stimme, die sie kannte.
    »Herrje noch mal! Hier wird niemand gehängt!«
    Stephen schwang die Lampe herum und in den Lichtschein
humpelte Abraham. Hinter ihm sah Kate eine Tür in der Wand, wo eben noch keine gewesen war.
    »Weg mit euch, ihr Rabauken«, sagte er und schob sich durch die Menge der Kinder, bis er die Schlinge von Michaels Hals nehmen konnte. Die Kinder, die Emma und Kate festgehalten hatten, zogen sich zurück. »Hängen! Wie kommt ihr nur auf die Idee?« Er versetzte Stephen einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. »Wo ist dein Verstand geblieben, Junge?«
    »Er ist ein Verräter«, sagte Stephen. »Vermutlich sind sie alle Verräter.«
    »Diese beiden nicht. Das kann ich euch versichern.« Er deutete auf Kate und Emma. »Ich habe gesehen, wie sie von den Kreischern weggeschleppt wurden.«
    »Na gut, aber der hier ist ein Verräter. Wir können ihn nicht einfach laufen lassen.«
    Abraham hob die Lampe und beleuchtete Michaels Gesicht, das von dem Nass der Tränen glänzte.
    »Ihr habt recht, was ihn betrifft. Aber jetzt hört mir mal zu, und zwar alle.« Trotz des laut prasselnden Regens senkte Abraham seine Stimme. »Das sind schlimme Zeiten. Jeder hat Dinge getan, für die man Verzeihung erflehen muss. Aber wenn wir anfangen, uns gegenseitig zu zerfleischen, dann hat sie gewonnen. Wir müssen zusammenhalten; das ist die Hauptsache. Das ist alles, was wir noch haben: einander. Das dürfen wir nicht vergessen. «
    Eine Zeit lang sagte niemand etwas. Kate sah, dass Emma sich bückte und etwas vom Boden aufhob. Michaels Brille. Sie war ihm im Tumult von der Nase geschlagen worden. Emma drehte sie in den Händen hin und her und reichte sie dann schweigend ihrem Bruder.

    »Danke«, sagte Michael mit erstickter Stimme.
    Die anderen Kinder schienen Kate und ihre Geschwister vergessen zu haben. Eifrig umringten sie Abraham.
    »Was bringst du uns mit, Abraham?«
    »Was hast du für uns?«
    Kate war erstaunt, wie schnell die Hysterie von den Kindern abgefallen war. Sie hatte so etwas schon früher erlebt, bei den Kindern im Waisenhaus. Aber nie war es so rasch und unvermittelt geschehen wie hier.
    »Gebt Ruhe, ihr alle«, befahl Abraham. »Zuerst will ich Annie sehen.«
    Ein Murmeln ging durch die Menge, und dann trat das kleine Mädchen mit den Zöpfen, das über dem Abgrund gebaumelt hatte, vor. Abraham kniete sich nieder. Er zog eine Stoffpuppe aus seiner Jacke. »Die habe ich selbst gemacht. Ich würde mich freuen, wenn du sie annehmen würdest.«
    Das kleine Mädchen nahm die Puppe und drückte sie an sich, ohne ein Wort zu sagen.
    Abraham förderte einen Stapel Briefe zutage. »Jetzt seid leise, während ich die hier austeile. Stephen und die anderen werden den Kleineren beim Lesen helfen.«
    Eine ehrfürchtige Stille breitete sich aus. Während Abraham die Namen auf den Briefen vorlas, traten die Kinder eins nach dem anderen vor, nahmen die Umschläge in Empfang und trugen sie zu ihren Betten.
    Als er fertig war, kam Abraham zu Kate, Michael und Emma. »Die Hexe weiß nichts von den Geheimgängen in diesem Haus. Ich versuche, wenigstens einmal in der Woche hierherzukommen. Ich bringe ihnen Essen, Briefe von ihren Eltern. Es tut mir leid, dass ihr Mädchen in die Falle getappt seid. Mir wurde nur
gesagt, dass ich ein Foto von dem Jungen mit dem Schild machen sollte. Ich hatte keine Ahnung, was da vor sich ging. Aber ich sah, wie die Ungeheuer euch wegschleppten, und ich dachte mir schon, dass ihr hier landen würdet. Scheint so, als wäre ich gerade rechtzeitig gekommen.«
    »Danke«, sagte Kate. »Ich weiß nicht, was ansonsten passiert wäre.«
    Er winkte ab. »Es sind gute Kinder. Sie leben nur schon viel zu lange in Angst und Schrecken. Sie hätten deinen Bruder nicht gehängt. Vermutlich nicht … Also, ihr drei kommt am besten mit mir. Die Gräfin hat etwas mit euch vor, und ich zittere bei dem Gedanken daran, was das sein könnte.«
    »Aber wenn Sie kommen und gehen können, wie Sie

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