Emerald: Hörspiel
beobachtete er sie die ganze Zeit scharf aus seinen kleinen, hinterlistigen Augen.
»Wie kann es sein«, fragte sie leise, »dass nach all diesen Jahrtausenden drei ganz gewöhnliche Kinder einfach so über eine der Chroniken vom Anbeginn stolpern?«
»Zufall vielleicht?«
Die Gräfin lachte verächtlich. »Zufälle gibt es nicht, wenn Magie im Spiel ist. Diese Kinder sind aus irgendeinem Grund wichtig. Aus einem Grund, den ich noch nicht begreife.«
Im Geheimgang zupfte Abraham Kate am Ärmel und signalisierte ihr, dass sie weitergehen müssten. Aber Kate schüttelte den Kopf. Da drin ging es um sie, Michael und Emma. Sie wollte hören, was gesagt wurde.
Die Gräfin trank ihr Glas aus und hielt es Cavendish hin, damit er es neu füllen konnte. »Und du hast den Keller wirklich gründlich durchsucht? Von der Kammer, die der Junge erwähnte – von diesem unterirdischen Arbeitszimmer, in dem sie das Buch fanden –, hast du keine Spur entdecken können?«
»Keine, Mylady. Und auch keine Spur von irgendwelchen Bannsprüchen, die das Zimmer den Blicken verbergen würden. Wenn der Junge die Wahrheit gesagt hat, muss das Zimmer in der Zukunft erst erschaffen worden sein. Glaubt Mylady immer noch, dass der alte Mann dahintersteckt?«
»Natürlich«, schnaubte die Gräfin. »Wer sonst?« Von plötzlicher Freude erfüllt, klopfte sie mit den Fingernägeln gegen ihr Glas. »Stell dir vor, wenn ich ihm erst das Buch gebracht habe, dann bin ich mächtiger als alle anderen. Ich werde an seiner Seite sitzen und herrschen.«
Cavendish ließ die Karaffe mit lautem Geklapper auf den Servierwagen fallen. Die Gräfin schaute auf und maß ihn mit einem scharfen Blick. »Sei vorsichtig, du Kröte.«
»Ja, Gräfin, sehr wohl! Ich bitte tausendmillionenmal um Entschuldigung.« Ungeschickt hantierte er mit den Flaschen und stieß sie ein ums andere Mal gegeneinander.
»Du bist wirklich ein Trottel, weißt du das? Wenn du etwas zu sagen hast, dann sage es. Und stottere nicht herum wie ein betrunkenes Stubenmädchen.«
Der Mann drehte sich um. Er riss sich so heftig an den Fingern, dass Kate glaubte, er würde sie sich jeden Moment von der Hand abreißen. »Es ist nur, Mylady, dass ich mir Sorgen um Euch mache. Ja, ich mache mir Sorgen um Euch, wirklich.«
Sie lachte. »Um mich? Und warum solltest du dich um mich sorgen, du wandelnder Dreckhaufen?«
Er schlurfte zu ihrem Sessel, die Finger immer noch verknotend und verdrehend. Er schien nicht in der Lage zu sein, ihr ins Gesicht zu schauen. »Frau Gräfin sind so schön und so stark, und unser Meister, so schrecklich und furchterregend er auch ist, hat den Ruf, nun … unberechenbar zu sein.«
Im Zimmer wurde es still. Die Gräfin starrte den schwitzenden und zuckenden Mann an.
»Du glaubst, er würde mir meine Belohnung verweigern?«
»Nein, nein«, sagte er und schaute kurz auf. »Das würde ich niemals behaupten. Niemals. Aber …« Er steckte sich die Finger in den Mund und biss nervös darauf herum.
Die Gräfin beugte sich in ihrem Sessel vor. »Was soll ich deiner Meinung nach tun? Sprich!«
»Es ist nur …« Er rückte näher. Seine Stimme war wie das Zischen einer Schlange. »Ihr seid bereits so mächtig, Frau Gräfin.
Und wenn Ihr erst einmal das Buch habt, frage ich mich, wer mächtiger ist. Ihr, Frau Gräfin, oder …«
Die Hand der Gräfin schoss vor und packte den kleinen Mann an seinen strähnigen Haaren. Erschrocken flatterte der Vogel von Cavendishs Schulter auf.
»Willst du damit andeuten, du elende Kreatur, dass ich unseren allerhöchsten Meister betrügen könnte, wenn ich im Besitz des Buches wäre? Dass ich die Macht des Buches für meine eigenen Zwecke gebrauchen würde?«
»Mylady, nein! Niemals! Ihr missversteht mich …«
»Ach ja?« Sie riss ihn heftig an den Haaren.
»Bitte, Herrin! Ich flehe Euch an! Ich würde niemals … niemals …«
Da lächelte sie, wunderschön und gefährlich. »Beruhige dich. Ich weiß, dass du mich nur beschützen willst. Außerdem«, und damit glättete sie das fettige Haar des Mannes, »habe ich das Buch noch nicht.«
In dem nasskalten Geheimgang verspürte Kate einen zusätzlichen Schauer, als sie sah, wie der Mann und die Frau einander anblickten, als ob sie ein Geheimnis austauschen würden.
Wieder zupfte Abraham sie am Ärmel. Beharrlich. Sie nickte. Es war zu gefährlich, auch nur einen einzigen Moment länger zu bleiben. Gerade als sie sich abwenden wollte, sagte die Gräfin:
»Ist dir aufgefallen,
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