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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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Schultern. Sie trat durch den Nebel auf eine Lichtung und blieb stehen. Der Mann war nirgends zu sehen.
    Während sie noch überlegte, in welche Richtung sie gehen sollte, stakste ein Hirsch zwischen den Bäumen hervor. Hinter dem Geäst versteckt, hielt Emma angesichts des unverhofften Anblicks und der Schönheit des Tieres den Atem an. Der Hirsch reckte den Hals und knabberte an einem Busch.
    Sie wünschte, Kate und Michael wären hier, besonders Kate.
Michael hätte vermutlich alles verdorben mit seinem blöden Geschwätz über Zwerge.
    Mit einem Mal hob der Hirsch den Kopf; der ganze Körper spannte sich an. Er wandte sich schon zur Flucht, da kam der riesige Mann aus dem Nebel geflogen und landete auf dem Rücken des Tieres, drückte es mit seinem Gewicht zu Boden. Ein Messer blitzte auf und im nächsten Moment lag der Hirsch mit aufgeschlitzter Kehle reglos auf der Lichtung.
    Emma keuchte auf, fassungslos ob der Geschwindigkeit und der Gewaltsamkeit, mit welcher der Mann gehandelt hatte. Sie schaute zu, wie er sich neben den Hirsch kniete und seine Hand auf den Kopf des Tieres legte. Sie sah, wie sich seine Lippen bewegten, wie er etwas flüsterte. Dann schaute er auf. Ihre Blicke trafen sich.
    Es war eine Aufforderung an Emma, näher zu treten.
    Mit zitternden Beinen ging Emma zu ihm. Das Blut in der tödlichen Wunde am Hals des Tieres dampfte und ein metallischer Geruch hing in der Luft. Sie hatte keine Angst. In den letzten Tagen war zu viel passiert, als dass sie sich in diesem Moment gefürchtet hätte. Aber dieser Szene zwischen dem Mann und dem Hirsch, diesem Tod in den stillen Wäldern, haftete eine Unmittelbarkeit an, die ihr Herz erzittern ließ.
    Neben dem Kadaver blieb sie stehen. Der Mann hatte sie die ganze Zeit lang unverwandt angeblickt.
    »Hab keine Angst.«
    Emma wollte ihm sagen, dass sie keine Angst empfand, aber sie brachte kein Wort heraus.
    Die große Hand des Mannes ruhte noch immer auf dem Kopf des Hirsches. »Die Wölfe letzte Nacht waren böse. Ich habe
sie mitleidlos getötet.« Seine Stimme war leise und kraftvoll. »Aber ein solches Geschöpf zu töten, ist etwas Heiliges. Es darf nur in allerhöchster Not geschehen. Und man muss den Geist um Verzeihung bitten.«
    Sein Blick warb um Verständnis und Emma nickte. Wieder dachte sie an die tiefen, dunklen Augen des Löwen.
    Der Mann schnitt dem Hirsch den Bauch auf und weidete ihn aus. Er wusste, was er tat, und er tat es rasch und respektvoll. Emma wurde ein wenig übel, als er die Organe entnahm und in einen Lederbeutel legte, aber sie wandte sich nicht ab. Sie sagte sich, dass sich Michael an ihrer Stelle vermutlich die ganze Zeit übergeben hätte, und das gab ihr Kraft.
    »Hattest du letzte Nacht Angst vor den Wölfen?«
    Emma überlegte, ob sie lügen sollte, sagte dann aber: »Ja.«
    »Du hast es dir nicht anmerken lassen.« Emma glaubte, einen anerkennenden Ton in seiner Stimme zu vernehmen, und in ihrer Brust explodierte etwas Heißes.
    »Ihr kommt nicht aus Cambridge Falls.«
    Das war keine Frage – und doch erwartete er eine Antwort.
    »Nein. Wir … wir kommen… nun ja, aus der Zukunft.« Jetzt ging es ihr besser. »Wissen Sie, wir haben dieses magische Buch gefunden, und wenn man ein Foto hineinlegt, kann man dahin gehen, wo das Foto aufgenommen wurde. Und das haben wir gemacht. Wir haben das Foto ins Buch gelegt und jetzt sind wir hier.«
    Der Mann hatte mit seiner Arbeit innegehalten und starrte sie an. In einem einzigen Augenblick wurden Emma zwei Dinge klar. Das erste war der Grund, warum sie ihm gefolgt war. Sie wusste jetzt, dass sie sich gestern Nacht in seinen Armen sicherer gefühlt hatte als je zuvor in ihrem Leben. Und das zweite war
der Umstand, dass sie sich jetzt, da sie mit ihm allein war und er sie anschaute, mit dem Blut an den Händen und dem Messer in der Faust, alles andere als sicher fühlte.
    »Entschuldigung«, sagte sie leise. »Normalerweise kann ich besser erzählen.«
    Sie unterdrückte den Impuls zur Flucht. Sie zwang sich, stillzustehen und seinen Blick über den noch warmen Körper des Hirsches hinweg zu erwidern. Der Augenblick ging vorbei. Der Mann nickte langsam, wischte das Messer am Fell des Hirsches ab und steckte es wieder in die Scheide.
    »Mein Name ist Gabriel.«
    »Ich heiße Emma.«
    Er stand auf und wuchtete sich den Hirsch auf die Schultern. »Kehren wir um. Dein Bruder und deine Schwester werden erwacht sein. Wir haben viel zu bereden.«
     
     
    Kate sah den Mann um die

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