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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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Meter von der Hütte entfernt, und hatte sein Notizbuch auf den Knien. »Ich bringe mein Tagebuch auf den neusten Stand. Bin gleich fertig.«
    Kate schaute sich um. Sie konnte weder Emma noch den Mann irgendwo sehen.

    »Michael …«
    »Eine Sekunde.«
    Kate kniff die Augen zusammen und legte die Fingerspitzen an die Schläfen. Sie musste nachdenken. Würden sie nach Westport gehen? Wo genau befanden sie sich im Moment? Wie weit waren sie in der Nacht gegangen? Der Mann konnte es ihnen sagen. Aber wo war er? Und wo war Emma? Kate wollte Michael gerade sagen, dass er sein Tagebuch später fertig schreiben konnte, als ihr Traum, der mit dem Aufwachen verblasst war, plötzlich zurückkehrte. Es waren nicht die unscharfen, zusammenhanglosen Bilder, die ein Traum normalerweise zurücklässt. Der Traum lief genauso noch einmal vor ihren Augen ab; sie sah alles ein zweites Mal: die unterirdische Stadt, das gähnende Maul der aufgerissenen Erde …
    »Kate?!«
    Michael schüttelte sie. Sie blinzelte und erkannte, dass sie auf dem Boden lag. War sie schon wieder in Ohnmacht gefallen?
    »Was ist passiert?! Du …«
    »Alles in Ordnung.«
    Die Worte der Gräfin klangen ihr wieder in den Ohren. Das Buch hat sie gezeichnet … Nein, es war ganz und gar nicht in Ordnung. Aber sie sah, wie Michael sie anstarrte, und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Ich bin wahrscheinlich zu schnell aus dem Bett aufgestanden. Wo ist Emma?«
    »Keine Ahnung«, sagte er und betrachtete sie weiterhin aufmerksam. »Sie war weg, als ich aufwachte.«

    Als Emma die Augen aufschlug, brach gerade die Morgendämmerung an. Ein trübes graues Licht kroch in die Hütte. Kate und Michael schliefen noch. Der Mann trat das Feuer aus; schwarze Skelette aus verbrannten Holzscheiten zerbarsten knirschend und Asche blähte sich unter seinen Füßen auf. Wo der Wolf ihn gebissen hatte, war sein Arm verbunden. Sie schaute ihm zu, wie er ein Hemd hervorzog, ein Messer, einen Bogen und einen kleinen Köcher mit Pfeilen an sich nahm und mit einem Blick in ihre Richtung wortlos die Hütte verließ.
    Mit einem Satz war Emma aus dem Bett, zog sich an und eilte nach draußen. Ein schwerer Morgennebel hing über dem Tal, und sie kam gerade noch rechtzeitig, um die große Gestalt des Mannes in dem grauen Dunst verschwinden zu sehen. Lautlos tapste sie ihm nach.
    Warum sie dem Mann folgte, hätte Emma nicht sagen können. In der Regel fand sie Erwachsene alles andere als interessant. Ihrer Erfahrung nach musste man sie entweder stumm ertragen oder ihnen offen Widerstand leisten. Abraham war ganz in Ordnung, und Dr. Pym war faszinierend, weil er ein Zauberer war. Aber bis dieser Mann aufgetaucht war, hatte sich Emma noch nie von einem Erwachsenen wirklich angezogen gefühlt.
    Emma duckte sich hinter einen Felsen, als der Mann stehen blieb und auf etwas zu lauschen schien.
    Eine Erinnerung kehrte zu ihr zurück. Es war vor ein paar Jahren gewesen. Ein reicher alter Mann hatte allen Kindern des Waisenhauses einen Zoobesuch spendiert. Emma hatte angenommen, dass der Mann bald sterben würde und versuchte, etwas Gutes zu tun, damit er in den Himmel kam. Was für einen Beweggrund der alte Mann auch gehabt haben mochte – der
Ausflug in den Zoo erwies sich als der schönste Tag ihres Lebens. Dort gab es Pandas und einen Jaguar, langhalsige Giraffen und gefleckte Affen, die johlten und schnatterten, während sie halsbrecherisch in den Bäumen turnten, Krokodile aus Ägypten, die man dort früher verehrt hatte, Schneeleoparden aus dem Himalaja, smaragdgrüne Schlangen, die einen ganzen Mann verschlucken konnten. Wohin man auch blickte, überall gab es etwas zu sehen. Aber das Tier, das sie am meisten fesselte und in Erstaunen versetzte, war ein Löwe. Er war riesig, zweimal so groß wie die anderen Löwen. Sein Fell war von einem dumpfen Goldbraun, das Gesicht von vielen Kämpfen vernarbt und seine Augen von dem tiefsten, reinsten Schwarz, das Emma je gesehen hatte. Mit beiden Händen hatte sie sich an die Gitterstäbe des Käfigs geklammert und die Stärke und Klugheit unter der Ruhe gespürt, die er ausstrahlte, die unverfälschte animalische Kraft, die nur darauf wartete, herausgelassen zu werden.
    Dieser Mann erinnerte sie an den Löwen.
    Sie sah, wie er den Pfad verließ und mit dem Nebel eins wurde. Sie wartete einen Moment und ging ihm dann nach. Die Erde war nass und rutschig, und als sie sich an einem Baum abstützte, fiel eine Kaskade aus Regentropfen auf ihren Kopf und ihre

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