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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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erklangen und etwas sauste zischend durch die Luft. Der Wolf sah es kommen und versuchte noch, die Richtung zu ändern, was ihm aber nicht gelang. Der Gegenstand, ein langer grauer Schemen, kam einen Moment lang in Kates Blickfeld, ehe er dem Wolf in den Kopf fuhr, sodass sie seinen Schädel bersten hörte.
    Dann war ein Mann neben ihnen. Er war unglaublich groß, ein wahrhaftiger Riese. Langes dunkles Haar verbarg das Gesicht und von den Handgelenken hingen schwere Ketten. Mit lautem Knurren warfen sich die beiden verbliebenen Wölfe auf den Mann. Einen fing er mitten in der Luft auf und brach ihm mit einem trockenen Knacken das Genick. Der zweite verbiss sich im Arm des Manns, versenkte seine Zähne tief in sein Fleisch. Er riss das Tier von seinem Arm und warf es von sich, wie man eine Katze wegschleudern würde. Der Wolf prallte gegen einen Felsen und blieb benommen liegen. Mit zwei Schritten war der Mann bei ihm, stellte seinen Stiefel auf den Nacken des Tieres und trat zu. Ein ekelhaftes Knirschen war zu hören und dann lag der Wolf still.
    Er ging zu den Kindern zurück. Michael und Emma hatten ihre Augen geöffnet und starrten den Mann verwundert an. Er überragte sie turmhoch und sein Gesicht lag im Schatten verborgen. Aber trotzdem erkannte Kate ihn: Es war der Mann, der an jenem Tag am Damm die Gräfin angegriffen hatte.
    »Kommt mit«, sagte er.

KAPITEL 9
Gabriel
    Es lief folgendermaßen: Kate suchte sich einen Baum oder einen Felsen, und dann sagte sie sich: So weit gehe ich noch. Und während sie dorthin ging, dachte sie nicht daran, wie nass und schwer ihre Kleider waren, wie sie bei jedem Schritt gegen ihre Haut scheuerten, und auch nicht daran, dass die Muskeln in ihren Beinen sich anscheinend in weichen Schlamm verwandelt hatten. Sie dachte nur: So weit. So weit gehe ich noch. Und dann, wenn sie diesen Baum oder Felsen erreicht hatte, blickte sie voraus, an dem riesigen Mann vorbei, durch den Regen und die Dunkelheit, und suchte sich wieder einen Baum oder einen Felsen aus. Dann fing das Spiel von vorne an.
    Sie schaute zu Michael, der mit leerem, müdem Gesicht neben ihr herstapfte. Sein Kopf war beinahe bis auf die Brust gesunken, und das Wasser tropfte von seiner Nase, während er einen wackeligen Schritt nach dem anderen machte. Aber trotzdem ging es ihm noch besser als Emma. Sie war tatsächlich
während des Gehens eingeschlafen. Nachdem sie das dritte Mal hingefallen und mit einem verdatterten »Hä? Wer war das …?« aufgewacht war, hatte sich der große Mann umgedreht und sie in seine Arme genommen. Kate hatte mit Widerstand gerechnet, denn Emma ließ sich nie von Erwachsenen anfassen. Aber ihre Schwester hatte sich nur zusammengerollt und war sofort eingeschlafen.
    Und so war es Kate, die trotz ihrer Müdigkeit versuchte, sich den Weg einzuprägen, den der Mann sie führte. Sie hatte ihn natürlich gefragt, wo er sie hinbringen würde, aber der Riese hatte Kate nur grunzend befohlen, still zu sein. So blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Umgebung, so gut es im Regen und in der Dunkelheit ging, zu beobachten, was noch zusätzlich durch den Umstand erschwert wurde, dass jeder Baum und jeder Stein genauso aussah wie der nächste. Und so marschierten sie weiter, über verschlungene, schlammige, mit Baumwurzeln überwucherte Pfade. Sie kletterten über Felsen, sprangen über kleine Bäche, wobei sie stetig bergauf gingen, bis Kate schließlich glaubte, »Regen« und »Müdigkeit« seien bloß zwei andere Worte für »Qual«. Sie vergaß, nach Bäumen und Felsen Ausschau zu halten, die als Wegmarkierungen hätten dienen können. Sie ließ den Kopf hängen und stolperte stur dem Geräusch der Schritte des Mannes und dem Klirren der Ketten an seinen Handgelenken hinterher.
    Und dann, ganz plötzlich, blieben sie stehen.
    Kate hob den Kopf. Sie erkannte die Umrisse einer kleinen Hütte, die sich an eine Felswand schmiegte. Der Mann stieß die Tür auf, trat ein, und Kate und Michael taumelten hinter ihm her.
    Die Luft in der Hütte war kalt und muffig. Hier hatte lange
Zeit niemand mehr gewohnt. Aber zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit standen die Geschwister im Trockenen. Es war stockdunkel, und sie lauschten auf die Geräusche des Mannes, der sich in der Hütte zu schaffen machte. Dann hörten sie das Schaben eines Streichholzes, und gleich darauf entzündete er eine Lampe, die in der Mitte der Hütte von der Decke herabhing. Wortlos drehte er sich um und widmete sich dem Kamin. Kate

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