Emilia Galotti
Hätte ich seinen Vorwand, warum sie wieder nach Guastalla soll, doch nur angehört! - So könnte ich mich itzt auf eine Antwort gefaßt machen. - Zwar auf welchen kann mir eine fehlen? - Sollte sie mir aber fehlen; sollte sie - Man kömmt. Ruhig, alter Knabe, ruhig!
128
Fünfter Auftritt
(Der Prinz. Marinelli. Odoardo Galotti)
DER PRINZ. Ah, mein lieber, rechtschaffner Galotti, - so etwas muß auch geschehen, wenn ich Sie bei mir sehen soll. Um ein geringeres tun Sie es nicht. Doch keine Vorwürfe!
ODOARDO.Gnädiger Herr, ich halte es in allen Fällen für unanständig, sich zu seinem Fürsten zu drängen. Wen er kennt, den wird er fodern lassen, wenn er seiner bedarf. Selbst itzt bitte ich um Verzeihung -
DER PRINZ. Wie manchem andern wollte ich diese stolze Bescheidenheit wünschen! - Doch zur Sache. Sie werden begierig sein, Ihre Tochter zu sehen. Sie ist in neuer Unruhe, wegen der plötzlichen Entfernung einer so zärtlichen Mutter. -Wozu auch diese Entfernung? Ich wartete nur, daß die liebenswürdige Emilie sich völlig erholet hätte, um beide im Triumphe nach der Stadt zu bringen. Sie haben mir diesen Triumph um die Hälfte verkümmert; aber ganz werde ich mir ihn nicht nehmen lassen.
129
ODOARDO.Zu viel Gnade! - Erlauben Sie,
Prinz, daß ich meinem unglücklichen Kinde alle die man-nichfaltigen Kränkungen erspare, die Freund und Feind, Mitleid und Schadenfreude in Guastalla für sie bereit halten.
DER PRINZ. Um die süßen Kränkungen des
Freundes und des Mitleids, würde es Grausam-keit sein, sie zu bringen. Daß aber die Kränkungen des Feindes und der Schadenfreude sie nicht erreichen sollen; dafür, lieber Galotti, lassen Sie mich sorgen.
ODOARDO. Prinz, die väterliche Liebe teilet ihre Sorgen nicht gern. - Ich denke, ich weiß es, was meiner Tochter in ihren itzigen Umständen einzig ziemet. - Entfernung aus der Welt; - ein Kloster, - sobald als möglich.
DER PRINZ. Ein Kloster?
ODOARDO.Bis dahin weine sie unter den Augen ihres Vaters.
DER PRINZ. So viel Schönheit soll in einem Kloster verblühen? - Darf eine einzige fehlge-schlagene Hoffnung uns gegen die Welt so unversöhnlich machen? - Doch allerdings: dem Va-130
ter hat niemand einzureden. Bringen Sie Ihre Tochter, Galotti, wohin Sie wollen.
ODOARDO (gegen Marinelli). Nun, mein
Herr?
MARINELLI. Wenn Sie mich so gar auffodern! -
ODOARDO. O mit nichten, mit nichten.
DER PRINZ. Was haben Sie beide?
ODOARDO.Nichts, gnädiger Herr, nichts. -
Wir erwägen bloß, welcher von uns sich in Ihnen geirret
hat.
DER PRINZ. Wie so? - Reden Sie, Marinelli.
MARINELLI, Es geht mir nahe, der Gnade meines Fürsten in den Weg zu treten. Doch wenn die Freundschaft gebietet, vor allem in ihm den Richter aufzufodern -
DER PRINZ. Welche Freundschaft? -
MARINELLI. Sie wissen, gnädiger Herr, wie sehr ich den Grafen Appiani liebte; wie sehr unser beider Seelen in einander verwebt schienen -
ODOARDO.Das wissen Sie, Prinz? So wissen Sie es wahrlich allein.
MARINELLI. Von ihm selbst zu seinem Rächer bestellet -
131
ODOARDO.Sie?
MARINELLI. Fragen Sie nur Ihre Gemahlin.
Mari-nelli, der Name Marinelli war das letzte Wort des sterbenden Grafen: und in einem To-ne! in einem Tone! - Daß er mir nie aus dem Gehöre komme dieser schreckliche Ton, wenn ich nicht alles anwende, daß seine Mörder ent-deckt und bestraft werden!
DER PRINZ. Rechnen Sie auf meine kräftigste Mitwirkung.
ODOARDO.Und meine heißesten Wünsche! -
Gut, gut! - Aber was weiter?
DER PRINZ. Das frag' ich, Marinelli.
MARINELLI. Man hat Verdacht, daß es nicht Räuber gewesen, welche den Grafen angefallen.
ODOARDO(höhnisch). Nicht? wirklich nicht?
MARINELLI. Daß ein Nebenbuhler ihn aus
dem Wege räumen lassen.
ODOARDO(bitter). Ei! ein Nebenbuhler?
MARINELLI. Nicht anders.
ODOARDO.Nun dann, - Gott verdamm' ihn
den meuchelmörderschenBuben!
MARINELLI. Ein Nebenbuhler, und ein be-
günstigter Nebenbuhler -
132
ODOARDO.Was? ein begünstigter? - Was sagen Sie?
MARINELLI. Nichts' als was das Gerüchte ver-breitet.
ODOARDO.Ein begünstigter? von meiner
Tochter begünstiget?
MARINELLI. Das ist gewiß nicht. Das kann nicht sein. Dem widersprech' ich, trotz Ihnen. -
Aber bei dem allen, gnädiger Herr, - Denn das gegründetste Vorurteil wieget auf der Waage der Gerechtigkeit so viel als nichts - bei dem allen wird man doch nicht umhin können, die schöne Unglückliche darüber zu vernehmen.
DER PRINZ. Ja wohl, allerdings.
MARINELLI. Und wo anders? wo kann das
Weitere Kostenlose Bücher