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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Hier, unter vier Augen, 137
    bin ich gleich mit ihr fertig. Senden Sie mir sie nur, gnädiger Herr.
    DER PRINZ. Auch das! - O Galotti, wenn Sie mein Freund, mein Führer, mein Vater sein wollten! (Der Prinz und Marinelli gehen ab) Sechster Auftritt

    ODOARDO GALOTTI
    (Ihm nachsehend; nach einer Pause) Warum nicht? - Herzlich gern - Ha! ha! ha! - (Blickt wild umher) Wer lacht da? - Bei Gott, ich glaub', ich war es selbst. - Schon recht! Lustig, lustig. Das Spiel geht zu Ende. So, oder so! - Aber - (Pause) wenn sie mit ihm sich verstünde? Wenn es das alltägliche Possenspiel wäre? Wenn sie es nicht wert wäre, was ich für sie tun will? - (Pause) Für sie tun will? Was will ich denn für sie tun? - Hab'
    ich das Herz, es mir zu sagen? - Da denk' ich so was: So was, was sich nur denken läßt. - Gräß-
    lich! Fort, fort! Ich will sie nicht erwarten. Nein!
    -(Gegen den Himmel) Wer sie unschuldig in diesen Abgrund gestürzt hat, der ziehe sie wieder heraus. Was braucht er meine Hand dazu? Fort!

    138
    (Er will gehen, und sieht Emilien kommen) Zu spät! Ah! er will meine Hand; er will sie! Siebenter Auftritt (Emilia. Odoardo)
    EMILIA. Wie? Sie hier, mein Vater? - Und nur Sie? - Und meine Mutter? nicht hier? - Und der Graf? nicht hier? - Und Sie so unruhig, mein Vater?
    ODOARDO.Und du so ruhig, meine Tochter?
    EMILIA. Warum nicht, mein Vater? - Entweder ist nichts verloren: oder alles. Ruhig sein können, und ruhig sein müssen: kömmt es nicht auf eines?
    ODOARDO.Aber, was meinest du, daß der Fall ist?
    EMILIA. Daß alles verloren ist; - und daß wir wohl ruhig sein müssen, mein Vater.
    ODOARDO.Und du wärest ruhig, weil du ru-
    hig sein mußt? - Wer bist du? Ein Mädchen? und meine Tochter? So sollte der Mann, und der Vater sich wohl vor dir schämen? - Aber laß doch hören: was nennest du, alles verloren? - daß der Graf tot ist?
    EMILIA. Und warum er tot ist! Warum! - Ha, so ist es wahr, mein Vater? So ist sie wahr die ganze 139
    schreckliche Geschichte, die ich in dem nassen und wilden Auge meiner Mutter las? - Wo ist meine Mutter? Wo ist sie hin, mein Vater?
    ODOARDO.Voraus; - wann wir anders ihr
    nachkommen.
    EMILIA. Je eher, je besser. Denn wenn der Graf tot ist; wenn er darum tot ist - darum! was ver-weilen wir noch hier? Lassen Sie uns fliehen, mein Vater!
    ODOARDO.Fliehen? - Was hätt' es dann für Not? -Du bist, du bleibst in den Händen deines Räubers.
    EMILIA. Ich bleibe in seinen Händen?
    ODOARDO.Und allein; ohne deine Mutter;
    ohne mich.
    EMILIA. Ich allein in seinen Händen? - Nimmermehr, mein Vater. - Oder Sie sind nicht mein Vater. - Ich allein in seinen Händen? - Gut, lassen Sie mich nur; lassen sie mich nur. - Ich will doch sehn, wer mich hält, - wer mich zwingt,
    - wer der Mensch ist, der einen Menschen zwin-gen kann.
    ODOARDO.Ich meine, du bist ruhig, mein
    Kind.

    140
    EMILIA. Das bin ich. Aber was nennen Sie ruhig sein? Die Hände in den Schoß legen? Leiden, was man nicht sollte? Dulden, was man nicht dürfte?
    ODOARDO.Ha! wenn du so denkest! - Laß
    dich umarmen, meine Tochter! - Ich hab' es immer gesagt: das Weib wollte die Natur zu ihrem Meisterstücke machen. Aber sie vergriff sich im Tone; sie nahm ihn zu fein. Sonst ist alles besser an euch, als an uns. - Ha, wenn das deine Ruhe ist: so habe ich meine in ihr wiedergefun-den!Laß dich umarmen, meine Tochter! - Denke nur: unter dem Vorwande
    einer gerichtlichen Untersuchung, - o des hölli-schen Gaukelspieles! - reißt er dich aus unsern Armen, und bringt dich zur Grimaldi.
    EMILIA. Reißt mich? bringt mich? - Will mich reißen; will mich bringen: will! will! - Als ob wir, wir keinen Willen hätten, mein Vater!
    ODOARDO.Ich ward auch so wütend, daß ich schon nach diesem Dolche griff, (ihn herauszie-hend) um einem von beiden - beiden! - das Herz zu durchstoßen.

    141
    EMILIA. Um des Himmels willen nicht, mein Vater! - Dieses Leben ist alles, was die Lasterhaf-ten haben. - Mir, mein Vater, mir geben Sie diesen Dolch.
    ODOARDO.Kind, es ist keine Haarnadel.
    EMILIA. So werde die Haarnadel zum Dolche! -
    Gleichviel.
    ODOARDO.Was? Dahin wär' es gekommen?
    Nicht doch; nicht doch! Besinne dich. - Auch du hast nur Ein Leben zu verlieren.
    EMILIA. Und nur Eine Unschuld!
    ODOARDO.Die über alle Gewalt erhaben ist. -
    EMILIA. Aber nicht über alle Verführung. -
    Gewalt! Gewalt! wer kann der Gewalt nicht trot-zen? Was Gewalt heißt, ist nichts: Verführung ist die wahre Gewalt. - Ich habe Blut, mein Vater; so jugendliches, so warmes Blut, als

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