Emilia - Herzbeben
und sagte leise: »Der Name dieser Frau, ihrer Mutter und deiner Großmutter, Mia, war Emilia.«
Mias Herz raste los. Ihre Großmutter hieß Emilia? Sie hatten sie nach ihrer Großmutter benannt?
»Das wird ja immer verrückter«, sagte Jona und blickte fassungslos von einem zum anderen.
»Die Härte kommt erst noch«, entgegnete Jan. »Alva hatte damals ebenfalls in demselben Haus gelebt, in dem sie heute lebt. Genauso wie Walt. Aber als ich herausfinden wollte, wem die Häuser gehören, tauchten nicht ihre Namen auf, sondern ein fremder Name. Immer wieder.«
Sie guckten ihn alle gebannt an.
»Als damals die Katastrophe passiert ist, wurden die Häuser auf ihn überschrieben. Sein Name ist Vhan Develiér.«
»Wer soll das denn sein?«, fragte Patrick auf einmal.
Mia hatte gar nicht bemerkt, dass er auch da war. Er saß etwas abseits, wie ein stiller Beobachter.
Jan zuckte mit den Schultern. »Habe nichts über ihn gefunden.«
»Gar nichts?«, fragte Nadja erstaunt. Seit sie Jan kannte, wusste sie, dass man über jeden etwas im Internet herausfinden konnte.
»Absolut nichts. Der Typ scheint nicht zu existieren.«
Den Rest der Stunde mussten sie sich um ihre Aufgabe kümmern, da die Lehrerin immer öfter vorbei kam. Doch sie konnten sich alle kaum darauf konzentrieren. Man konnte ihren grübelnden Gesichtern ansehen, dass sie versuchten diese Puzzleteile zusammenzufügen und das Geheimnis aus Mias Familie zu lüften. Mia war zwar glücklich darüber, dass sie so großes Interesse daran zeigten, doch es kam ihr auch etwas seltsam vor. Andererseits war sie das Interesse von anderen Menschen auch nicht wirklich gewöhnt und außerdem ging es ja auch um Walt, den sie schon lange persönlich kannten. Es war wohl normal, dass sie ihr Familiengeheimnis lüften wollten. Und wenn sie es sich genau überlegte: Wer würde das nicht wollen? Was sie da alles herausfanden wäre guter Stoff für einen Krimi gewesen. Für so eine Geschichte interessierte sich doch jeder.
In der großen Pause trafen sie sich wieder hinter dem Schulgebäude auf der Wiese. Mike war schon da, als sie bei der Bank ankamen. Mia hielt die Zettel in der Hand und setzte sich sofort hin, um sie zu lesen. Es stand genau das in den Dokumenten, was Jan ihr zuvor erzählt hatte. Während sie las, unterhielten sich die anderen über Mias Familiengeheimnis.
»Wenn sie früher unter diesen Namen hier gelebt haben«, sagte Jona, »muss sich doch jemand an sie erinnern, oder?«
»Schon möglich«, erklang Nadjas Stimme, »vielleicht sollten wir mal in diese Redaktion gehen und nach Aina fragen?«
»Gute Idee«, meinte Jan. »Wir tun einfach so, als würden wir für die Schülerzeitung recherchieren.«
Sie verabredeten sich schon, da unterbrach Mia sie mit einer Frage: »Konntest du noch etwas über diese … Emilia herausfinden?« Es war seltsam für sie, ihre Großmutter Emilia zu nennen.
»Leider nicht«, sagte Jan entschuldigend. »Es war schon schwergenug überhaupt herauszufinden, wer Ainas Mutter war. Ich bin durch Zufall darauf gestoßen. Über sie gibt es genauso wenig Infos, wie über diesen Vhan.«
Mia senkte nachdenklich den Kopf.
»Also bleiben uns nur die Menschen in dieser Stadt«, sagte Nadja. »Vielleicht finden wir jemanden, der sie gekannt hat.«
»Wir fangen in der Redaktion an, in der deine Mutter früher gearbeitet hat«, schlug Mike vor, »und dann sehen wir weiter.«
Mia nickte hoffnungsvoll. Die restlichen Schulstunden konnte sie kaum an etwas Anderes denken, als an ihre Großmutter. Wie sie wohl ausgesehen hatte? Vielleicht war sie ja genauso, wie sie. Obwohl sie sich das nicht vorstellen konnte. Mia hatte ihr äußeres Erscheinungsbild hauptsächlich von ihrem Vater geerbt. Das pechschwarze Haar, die blasse Haut. Es war also eher unwahrscheinlich, dass ihre Großmutter ihr ähnlich sah. Bestimmt sah sie aus wie ihre Mutter. Zart und wunderschön. Sie musste jetzt in Walts Alter sein. Ob sie genauso jung geblieben war, wie er? Und wo war sie überhaupt? Weshalb war sie damals einfach verschwunden? Es kreisten so viele Fragen in ihrem Kopf herum, dass sie kaum etwas vom Unterricht mitbekam. Selbst bei dem Kurs, der am Nachmittag wieder stattfand, passte sie nicht auf. Sie nahm dieses Mal mit Mike und Nadja an dem Psychokinese-Kurs teil. Sie betrachtete zwar mit Staunen, wie die Schüler Gegenstände verbogen und durch die Luft fliegen ließen, aber sie hörte nicht zu, wenn der Lehrer ihr versuchte zu erklären, wie man
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