Emilia - Herzbeben
dasselbe. Irgendetwas Gewaltiges war da draußen. Und es schien immer stärker zu werden. Dieses Mal spürten sie es deutlicher denn je. Es war ihnen ganz nah. Kell umfasste sein Schwert fester und trat entschlossen auf die Tür zu. Er konnte genau spüren, wo es her kam. »Ich kriege dich«, knurrte er und riss die Tür auf. »Heute kriege ich dich!«
Eine Frau mit seidigem, blonden Haar und grünen Augen, so leuchtend wie Smaragde, wandte sich im selben Moment zu ihrem Fenster um und sah hinaus über die Hügellandschaft und die dunklen Wälder. Um ihren Hals trug sie eine silberne Kette mit einem seltsam geformten Herzanhänger. Die eine Hälfte des Herzens war kürzer als die andere und beide Enden drifteten ingroßen Kringeln auseinander. Sie berührte es und schenkte der Ferne ein warmes Lächeln, das ihr kühles und hartes Gesicht weich und sanft werden ließ. »Spürst du das?«, fragte sie jemanden, der hinter ihr stand. Er trat hervor, stellte sich mit ihr ans Fenster uns sah ebenfalls hinaus. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, doch sie wirkten plötzlich ebenso erfreut, wie sie. »Es ist soweit, Vhan«, hauchte sie voller Stolz und nahm seine Hand. »Sie erwacht.«
14 schwarze Augen blickten auf. Wut funkelte in ihrer Dunkelheit und blanker Hass. 7 Gesichter, die versteinerten, 7 Körper, die vor Zorn bebten, wandten sich einander zu, schnaubend, die Fäuste geballt. Der Raum, in dem sie versammelt waren, erzitterte. Die Kerzen flackerten und das unruhige Kaminfeuer warf ihre Schatten an die Wand und ließ sie wie monströse, zitternde Monster erscheinen.
Durch ihre Köpfe gellte die ihnen so vertraute Stimme. Sie klang ebenso wütend, wie sie es waren und ebenso entschlossen. Er rief sie zu sich. Tief hinunter in seinen Palast. Und sie zögerten keine Sekunde. Ihre Schritte hallten von den Wänden des Korridors wider wie der Aufmarsch einer Armee. Bedrohlich und laut. Mit wütenden Gesichtern steuerten sie auf den Fahrstuhl zu, der sich sofort von allein öffnete, als sie nur noch wenige Meter davon entfernt waren. Er war groß. Es hätten mühelos zwei der Luxuskarossen hineingepasst, die er so leidenschaftlich sammelte. Doch heute trug dieser Fahrstuhl etwas Wertvolleres hinunter in seinen Palast. Etwas, dessen Wert mit Nichts vergleichbar war. Die 7. Seine persönliche Armee. Er setzte sie niemals ein. Sie waren wie Schachfiguren, die man beschützte und erst ganz zum Schluss zum Einsatz brachte, um den Gegner schließlich strategisch und sicher zu vernichten. Doch das war niemals nötig gewesen. Niemals. Denn er hatte nie Gegner gehabt. Zumindest keine, die ihm gefährlich werden konnten. Bis heute.
Sefar, ihr Anführer, berührte den allerletzten Knopf der langen Liste an Stationen. Den goldenen Knopf, der als einziger das Symbol aufwies, das sie auch an ihren Ringen trugen. Das Symbol der NOX. Drei Buchstaben ineinander verschlungen und vereint zu einem Zeichen, das nur jene tragen durften, die seinerSchöpfung am nächsten kamen. Es gab auf der Welt nur wenige Urwesen mit diesem Privileg. Und nur diesen Wesen schenkte er sein Vertrauen. Sie standen in der Pyramide der Macht, in der er die Spitze für sich allein beanspruchte, direkt unter ihm. Sie waren es, die die großen weltlichen Probleme lösten – sofern tatsächlich welche auftraten. Und diese lösten sie meist aus der Ferne. Sie mussten sich nie wirklich bemühen die Welt am Laufen zu halten. Doch dieses spezielle Problem war anders. Ganz anders.
Es dauerte eine Weile, bis sie die letzte Station erreichten. Als sich der Fahrstuhl dann endlich öffnete, marschierten sie durch einen weiten, goldenen Korridor, an dessen Ende eine gewaltige, ebenso goldene Flügeltür in sein Reich führte. Zwei Wachen öffneten sie und ließen sie ein, in die unterirdische Palaststadt Angors. Sie waren schon lange nicht mehr von der Schönheit seines Reiches geblendet, von den Flüssen und Wasserfällen, den Wiesen und gewaltigen Bäumen, die bis hinauf zu der künstlichen Sonne reichten und seinen Palast umgaben. Sie marschierten über die Sonnenbrücke, wie er sie nannte, direkt auf sein Schloss zu, ignorierten die zahlreichen Wachen, die unzähligen Frauen, die sich halbnackt in seinen Gärten vergnügten und betraten so schnell sie konnten den heiligen Boden seines Hauses. Sie mussten noch weit laufen, ehe sie endlich seine Gemächer erreichten, durch viele bewachte Türen gehen und lange Korridore überwinden. Als sie dann aber vor dem Raum
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