Emilia - Herzbeben
wartete. »Ihr … wart einmal … sein , nicht wahr?«
Jetzt stutzten beide.
»Recederes … Schöpfungen. Ihr beide wart sein . Mit Leib und Seele. Sie hat es uns erzählt.« Plötzlich lief ihm eine Träne aus dem Augenwinkel, die die beiden sichtlich verstörte. Einen weinenden Vampir hatten sie noch nie gesehen! Sie waren nicht zu Gefühlen fähig, die sich durch Tränen ausdrückten. Sie waren von Gier und Wut gesteuerte, fast unsterbliche Marionetten des Teufels. Ihre Bestimmung war der Gehorsam und ihre Leidenschaft das Töten. »Wir«, hauchte er, »sind auch … sein. Nur sein. Wir haben uns so entschieden.«
Kell schnaubte wütend. »Ihr seid nicht dazu in der Lage euch zu entscheiden! Ihr habt keinen freien Willen!«, schrie er ihn an.
Der Vampir lächelte halbseitig. »Irrtum. Sie ist der Beweis.«
»Wer?«, fragte Malina jetzt und trat näher an den Tisch heran. »Wer hat euch das erzählt?« Sie verfolgten diese Verräter schon seit Jahren. Die Vampire, die immer noch Recedere anhängten, sich zusammenschlossen und ihm nach wie vor folgten, obwohl er tot war. Sie folgten einem Geist und stellten sich damit gegen Angor, doch egal wie viele sie von ihnen töteten und was sie ihnen antaten, sie verrieten niemals den Namen ihres Anführers. Malina hegte schon langsam die Vermutung, dass es Rece selbst war, der einen Rachefeldzug gegen Angor plante. Doch das war lächerlich. Nicht mit Vampiren. Sie waren nicht stark genug.
Der Vampir sah die beiden lange an, bevor er antwortete. Und dann sagte er mit einer tiefen Ehrfurcht in der Stimme einen Namen, der sie bis ins Mark erschütterte: »Emilia.«
16
Mias Kopf lag schwer und müde auf dem Schulbuch. Sie hatte an diesem Wochenende kaum geschlafen. Ihre Klassenkameraden traten laut in den Raum, unterhielten sich, lachten, zogen laut ihre Stühle zurück und schmissen ihre Rucksäcke auf den Fußboden. So laute Geräusche. Sie hämmerten in Mias Kopf und ließen ihre schweren Augenlider immer wieder aufzucken. Selbst Nadja war laut. Sie lachte mit Emma über einen dummen Witz, den Mia nicht verstanden hatte. Jona war noch nicht da. Und Jan … Mia drehte den Kopf zur Seite … er kam gerade herein. Sie sah nur seine langen Beine und bemerkte, wie er ein paar Papiere aus seinem blauen Rucksack zog. Als er vor ihrem Tisch stand, legte er sie Mia vor die Nase. Mia richtete sich auf und Jan kniete sich zu ihr hinunter. In dem Moment rückte Nadja näher an die beiden heran und Emma stellte sich neugierig dazu.
»Verbrenn das am besten, wenn du es gelesen hast«, flüsterte er mit ernstem Gesicht.
Mia sah auf die Blätter und las den Namen »Aina Emgau«. Sie war sofort wieder hellwach. Doch bevor sie anfangen konnte zu lesen, kam die Lehrerin herein. Hinter ihr huschte noch Jona in den Raum und setzte sich schnell auf seinen Platz. Er grüßte Mia mit einem Lächeln und sie lächelte zurück. Dann ließ sie ihren Blick wieder auf die Blätter sinken und lugte auf die zweite Seite. Doch Nadja legte eine Hand darauf und flüsterte warnend: »Steck das weg! Das darf niemand sehen.«
Mia tat, was sie sagte und verstaute die Blätter schnell in ihrem Rucksack. Sie konnte es kaum erwarten darin zu lesen. Die Stunden vergingen viel zu langsam und sie konnte sich kaumkonzentrieren. Immer wieder sah sie auf die Uhr. Als es in der dritten Stunde unruhiger wurde, da sie in Gruppen arbeiten mussten, gesellte sich Jan an ihren Tisch. Emma und Jona rückten auch mit den Stühlen näher.
»Was macht deine Mutter beruflich?«, fragte Jan unauffällig und tat so, als würde er etwas in einem Buch nachschlagen, sah aber dabei Mia an.
»Sie ist freie Journalistin«, flüsterte Mia.
»Volltreffer«, sagte er und grinste. »Aina Emgau war damals Journalistin bei der lokalen Zeitung der Stadt. Sie hat Stadtportraits geschrieben. Eins davon findest du in den Unterlagen.«
In Mia begann es wild zu kribbeln. Ihre Mutter hatte also tatsächlich früher eine andere Identität gehabt?! Aber warum?
»Was ist mit Walt?«, fragte Nadja flüsternd und blätterte ebenfalls in einem Buch.
»Wie ihr vermutet habt. Walter Emgau war ihr Vater und lebte damals in demselben Haus, in dem er heute lebt.« Dabei sah Jan Mia an. »Er war mit einer Frau verheiratet, die auf mysteriöse Weise verschwunden ist, als Aina noch klein war. Ihre Mutter …«
Jetzt kam die Lehrerin an ihrem Tisch vorbei, weshalb sie alle still in ihre Bücher starrten. Als sie weg war, lehnte sich Jan zu Mia vor
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