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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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schlechtes Timing. Doch sie ärgerte sich auch - obwohl sie wusste, dass es kleinlich war -, weil er Lisas Familie seiner eigenen vorgezogen hatte.
    «Und?», fragte sie. «Wie geht’s euch?»
    «In der Halbzeit gehen wir am Strand Football spielen. Du solltest mal sehen, wie hoch die Wellen sind.»
    «Ist es nicht kalt?»
    «Das ist Tradition.»
    «Sei vorsichtig», sagte Emily. «Du bist kein junger Mann mehr.»
    «Danke. Jetzt breche ich mir bestimmt irgendwas.»
    Hinter ihm jubelten alle. «Wer ist denn alles da?»
    «Die üblichen Leute und Ellas Freundin Suzanne.»
    «Die kenne ich nicht. Ist sie neu?»
    «Sie sind schon eine Weile zusammen. Ich glaube, du bist ihr noch nicht begegnet.»
    «Ist sie nett?»
    «Sehr nett, für einen Cowboys-Fan.»
    «Da hab ich wohl irgendwas verpasst», sagte Emily plötzlich ungeduldig.
    «Die Cowboys spielen gerade. Und zwar schlecht.»
    Er unterbrach das Gespräch, um auf einen Zwischenruf zu antworten, und Emily verschlug es die Sprache. Er erfüllte seine Pflicht, und vermutlich hätte sie dankbar sein sollen, aber während sie wartete und sah, dass die Sonne ihre Pflanzen im Erkerfenster wärmte, erinnerte sie sich, wie viel an Thanksgiving immer los gewesen war, das ganze Haus voller Menschen, jedes Regal im Kühlschrank gefüllt, die Autos auf der Straße Stoßstange an Stoßstange geparkt. Ihr fehlte weder das Gewusel noch die Unordnung, sie wünschte bloß, sie könnte die Kinder sehen.
    «Tut mir leid», sagte er. «Du weißt ja, wie Texaner sind.»
    «Ich will ja kein unangenehmes Thema anschneiden, aber habt ihr schon überlegt, was ihr euch zu Weihnachten wünscht?»
    «Es übersteigt meine Fähigkeiten, mir über mehrere Feiertage gleichzeitig Gedanken zu machen.»
    «Wir haben aber bald Weihnachten, ob es dir gefällt oder nicht.»
    «Was wünschst du dir eigentlich?», fragte er. «Ich wünsche mir, dass die ganze Familie zusammenkommt. Das ist dieses Jahr mein Weihnachtsgeschenk.»
    «Meg kommt doch zu dir.»
    Sie zögerte bloß einen Moment, als sei ihre Enttäuschung im Nu vorbei, als hätte sie sie mühelos hinuntergeschluckt. «Ehrlich, inzwischen versuche ich, mich von vielem zu trennen und nicht noch mehr Sachen anzuhäufen, die ich nicht brauche.»
    «Okay, aber wenn dir irgendwas einfällt.»
    «Ich meine es ernst. Aber bitte, mein Junge, du musst mir wirklich Bescheid geben, was Ella und Sam sich wünschen. Wenn möglich, würde ich es gern vermeiden, so spät dran zu sein wie letztes Jahr.»
    «Ich tu mein Bestes», sagte er, genau wie Henry, der ihre Sorge stets mit seinem unverbindlichen Optimismus beschwichtigt hatte, und sie dachte, dass sie in letzter Zeit immer mehr von ihm an Kenneth entdeckte, obwohl sie vorher kaum Ähnlichkeiten gesehen hatte.
    «Eins wollte ich dich noch fragen», sagte sie.
    «Schieß los.»
    «Der Wagen deines Vaters. Bist du daran interessiert?»
    «Oh, wow», sagte er.
    «Mir wird er einfach zu viel, und er ist schon so alt, dass ich ihn nicht in Zahlung geben kann.»
    «In Zahlung geben.»
    «Ich habe mit ein paar Leuten gesprochen, und sie sagen, es lohnt sich nicht. Ich dachte, dir hat er immer gefallen.»
    «Stimmt», sagte er. «Ich weiß bloß nicht genau, wo ich ihn hinstellen soll.»
    «Er läuft noch gut.»
    «Bestimmt, aber … Du willst dir wirklich ein Auto kaufen?»
    «Wär’s dir lieber, wenn deine alte Mutter mit dem Bus fahren muss?»
    «Nein.»
    «Ich brauche einen fahrbaren Untersatz. Ich dachte an etwas Kleines, vielleicht so einen Hybridwagen wie den von Marcia.»
    «Hast du schon mal ein Auto gekauft?»
    «Bisher ist mir das erspart geblieben. Glaub mir, ich habe meine Hausaufgaben gemacht.»
    «Da bin ich mir sicher.»
    «Hast du irgendeinen Tipp?»
    «Versuch’s mal bei Cars-dot-com. Da haben wir den Mazda gefunden.»
    Sie fragte, ob es ihrem eigenen Seelenfrieden zuliebe sinnvoll sei, einen Neuwagen zu kaufen. Sie merkte, er war von dem Gedanken, dass sie wieder Auto fuhr, nicht begeistert, aber wie bei Henry konnte sie darauf zählen, dass er sie in praktischen Angelegenheiten beriet. Und obwohl er zu dem Olds noch nicht endgültig ja sagte, wusste sie, dass er ihn letzten Endes nehmen würde. Er würde es nicht fertigbringen, das Angebot abzulehnen.
    Rufus, den die Musik nach oben vertrieben hatte, kam herunter, um zu sehen, was los war, und setzte sich mit hochgerecktem Kinn neben sie, damit sie ihn unterm Halsband kraulen konnte.
    «Gut», sagte Kenneth schließlich, das Zeichen, dass er

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