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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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kein Problem», sagte Marcia und schob die nackten Füße in ihre Wanderstiefel. «Ich hab gerade meine Yogaübungen gemacht.»
    Dann zog sie noch eine Fleecejacke über und setzte eine Steelers-Baseballkappe auf. Diese Aufmachung war für Marcia, die in Margarets Alter und, wie Emilys Mutter gern gesagt hatte, schön rundlich war, nicht besonders vorteilhaft, und Emily hätte sich in der Kluft nicht vor die Tür getraut.
    Emily führte sie über den Rasen ins Haus und scheuchte Rufus weg, der Marcia zwar kannte, aber dennoch an ihrem Schoß schnupperte. «Passen Sie auf, dass Sie sich nicht den Kopf stoßen», sagte sie auf der Treppe, denn sie wusste nicht genau, ob Marcia Henrys Werkstatt kannte. Normalerweise half ihr Jim.
    Marcia ging in die Hocke, hob die Batterie mühsam hoch und stellte sie auf die Werkbank. «Die ist aber ganz schön schwer.»
    «Letztes Jahr wäre das für mich noch kein Problem gewesen», sagte Emily. «Aber ich bin einfach nicht mehr kräftig genug.»
    «Und sie soll in die Garage?»
    «Wenn Sie das schaffen.»
    «Ich kann’s probieren.»
    Oben an der Treppe, dann auf der hinteren Veranda und schließlich noch mal kurz vor dem Garagentor musste Marcia die Batterie absetzen. «Das ist zumindest ein gutes Training.»
    «Danke», sagte Emily entschuldigend.
    Drinnen dachte sie, dass es unhöflich wäre, Marcia auf Busters Pfotenspuren hinzuweisen, obwohl sie wirklich überall waren. Und den Gestank brauchte sie auch nicht anzusprechen.
    Als Marcia die Batterie schließlich an ihren Platz gehievt hatte, reichten die Kabel nicht bis zu den Anschlüssen.
    «Ich glaube, sie gehört andersrum», sagte Emily, und dann musste sie wieder in den Keller, um den passenden Schraubenschlüssel zu suchen. Sie brachte gleich eine ganze Handvoll mit.
    Marcia trat einen Schritt zurück, als hätte sie Angst, einen Stromschlag zu bekommen. «Nach der ganzen Plackerei sollte sie lieber funktionieren.»
    «Wir werden sehen. Vielleicht brauche ich trotzdem Starthilfe.»
    Rufus setzte sich wieder neben sie, davon überzeugt, sie würden irgendwohin fahren.
    «Meinst du wirklich?», fragte Emily und drehte den Schlüssel.
    Nur ein Klicken.
    «Versuchen Sie’s noch mal.»
    Klick-klick-klick-klick.
    «Das habe ich mir gedacht», sagte Emily. «Ich habe Kabel im Kofferraum.»
    «Ich weiß nicht, ob das mit meiner Batterie geht. Das ist ein völlig anderes System.»
    «Es müsste in der Betriebsanleitung stehen. Ich könnte auch einfach beim Automobilclub anrufen.»
    «Mal sehen», sagte Marcia und trabte die Einfahrt hinunter.
    Emily öffnete den Kofferraum - kahl wie Henrys Werkbank - und nahm den Plastikbeutel mit den Starthilfekabeln heraus, ein Weihnachtsgeschenk von Arlene, stand dann wartend da und betrachtete die riesige, verchromte Karosserie des Olds. Der Wagen hatte Henry gehört, deshalb mochte sie ihn, doch er war viel zu groß. Sie befürchtete, sie würde bei dem Versuch, ihn rückwärts aus der Garage zu fahren, die Spiegel abreißen. Sie konnte Jim oder Marcia nicht jedes Mal um Hilfe bitten, wenn sie den Wagen wieder hineinfahren wollte. Er war noch angemeldet, aber die Prüfplakette war abgelaufen. Sie war sich sicher, dass nichts zu beanstanden war. Die Entscheidung wäre ihr leichter gefallen, wenn er schon auseinanderfiele. Der Olds war typisch für Henry mit seiner Vorliebe für Unverwüstliches. Er war so stolz auf den Kilometerstand gewesen und hatte jedes größere Umspringen des Kilometerzählers gefeiert. «Jedes Mal, wenn wir mit diesem Wagen fahren», hatte er gesagt, «verdienen wir Geld», was Emily plausibel vorkam, und die ihnen gemeinsame Sparsamkeit hatte nicht nur ihre Freunde belustigt, sondern war auch ein Kriterium für ihre Heirat gewesen. Ihr Vater hatte die gleiche Veranlagung gehabt und seinen bibelschwarzen Plymouth mit den Keystone-Kops-Trittbrettern und den vorgewölbten Scheinwerfern so lange gefahren, bis ihre Freunde an der Highschool sie deswegen gehänselt hatten. Doch jetzt musste sie notgedrungen - oder war es Bequemlichkeit? - diese ganze Vorgeschichte außer Acht lassen und etwas tun, das Henry oder ihr Vater vielleicht nicht verstehen würden.
    Marcias Hybridwagen war so leise, dass er Rufus bei seiner Wache am Abflussrost aufschreckte, als sie auf den Hof fuhr. Sie drehte und fuhr dann rückwärts an die Garage heran.
    Die Batterie befand sich im Kofferraum, ein normales 12-Volt-Modell. Emily zog die Kabel straff.
    «Offenbar haben Sie das schon mal

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