Emily, allein
Gott, Mom.»
«Naja, so was muss man doch wissen.»
«Kann mich bitte jemand umbringen?», sagte Sarah. «Ist doch nur Spaß», erwiderte Margaret. «Das ist nicht witzig.»
«Also bitte. Nach dem ganzen Ärger, den ihr beide mir wegen Ron gemacht habt.»
«Ich glaube, ich könnte jetzt einen Salat vertragen», sagte Emily und musterte die Warteschlange. «Gehen wir?»
Das Buffet hielt keine Überraschungen bereit, doch Arlene schwärmte von der Hühnercremesuppe, einer Lieblingsspeise aus ihrer Kindheit. Justin verzichtete auf jeglichen Salat, während sich Emily noch etwas nachholte und sich tugendhaft vorkam, als sie grünen Blattsalat auf ihren Teller lud. Als sie bereit war fürs Hauptgericht, stand Justin schon am Desserttisch. Sie und Margaret entschieden sich für Hähnchen nach Florentiner Art, das beide ein bisschen trocken fanden. Sarah aß kaum etwas und ließ die Hälfte von ihrem Lachs übrig. Sie putzte sich mit einem schmutzigen Papiertaschentuch die Nase, und obwohl Emily gern mehr über ihr Leben in Chicago erfahren hätte, hielt sie sich zurück. Margarets Freund war nichts, das sich für eine höfliche Konversation eignete, deshalb wandten sie sich unverfänglichen Themen zu - der Wirtschaft, dem Irakkrieg, Guantanamo. Die Kellnerin schenkte ihnen nach und fasste für Arlene das Spiel der Steelers zusammen, eine willkommene Unterbrechung, da anscheinend niemand etwas zu sagen hatte.
Justin und Sarah wollten beide los, deshalb beschlossen sie, die Qual nicht zu verlängern, sondern zu Hause Kaffee zu trinken. Die Carnegie Hall konnte warten, und Emily konnte das Tiramisu servieren. Im Wagen bedankten sie sich zum zweiten Mal an diesem Tag bei ihr. Nächtliche Fahrten ermüdeten Emilys Augen, und als sie den Wagen mit großer Konzentration sicher in die Garage gefahren hatte, stieß Justin mit seiner Tür an die Wand.
Im Haus entschuldigte sich Margaret für ihn. Emily zuckte mit den Schultern, als sei die Sache nicht der Rede wert.
Sarah ging sofort nach oben, kam aber ein paar Minuten später wieder herunter, um ihnen mitzuteilen, dass Rufus ihre Zahnpasta aufgefressen hatte, was erklärte, warum er sich unter dem Esszimmertisch versteckte. Irgendwie hatte er die Tube vom Badezimmerwaschtisch stibitzt. Er war auch über ihren Papierkorb hergefallen, hatte ihre benutzten Papiertaschentücher zerfetzt und sie auf dem ganzen Teppich verstreut.
«Also ehrlich», sagte Emily, während Margaret neben ihr kniete und half, die Schweinerei zu beseitigen.
«Das kann seinem Magen nicht guttun.»
«Hoffentlich bekommt er richtige Schmerzen», sagte Emily und schrubbte mit einem nassen Waschlappen an der Badematte herum.
«Das meinst du doch nicht ernst.»
«Ich würde bloß gern wissen, warum er so etwas tut.»
«Wahrscheinlich ist er wütend, weil du ihn allein zu Hause gelassen hast.»
Emily erzählte ihr, dass er vor ihren Augen das Stuhlbein angeknabbert und auf den Teppich gepinkelt hatte.
«Wie alt ist er?»
«Deshalb regt mich das ja so auf. Ich befürchte, dass er bald stirbt, und das will ich einfach nicht.»
«Erstaunlich, dass er so lange durchgehalten hat.»
«Ich weiß», sagte Emily. «Wir haben mit ihm viel Glück gehabt. Trotzdem ist er ein Trottel.»
«Er ist besser als Duchess je war.»
«Weißt du noch, wie Dad sie immer genannt hat?»
«Der schlimmste Hund aller Zeiten», sagten beide gleichzeitig.
Unten hatte Arlene die Nachspeise aufgetragen, und das Gespräch wurde fortgesetzt, erstreckte sich immer weiter in die Vergangenheit und machte Station in Panther Hollow und Chautauqua, dem Haus ihrer Eltern in Kersey und in Calvary Camp. Bei Hunden, Ferienerlebnissen, Freunden, Nachbarn. Den Grogpartys der Millers. Übernachtungen im Tollhaus der Pickerings. Emily war leicht überrascht zu sehen, dass sich Margaret mit Gelächter an jene Jahre erinnerte. Für Emily war diese Zeit ein ständiger Kampf gewesen, den sie, das musste sie sich auch jetzt noch eingestehen, verloren hatte, und doch saß Margaret hier neben ihr und erging sich in wehmütigen Erinnerungen an frühere Weihnachtsfeiern. Wie sie in die Innenstadt gefahren waren, um sich mit den ganzen Menschen bei Home’s und Kaufmann’s die Schaufenster anzusehen und sich dann mit Henry für ein gemütliches Abendessen bei Klein’s zu treffen. Margaret besaß immer noch die Holzklötze, die er für sie angefertigt hatte. Sie bewahrte sie für ihre Enkel auf, wann auch immer das so weit sein mochte - und
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