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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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vier Leute kamen auch allein zurück. Sie brachten die Nachricht mit, dass Catherine krank sei, zu krank, um ihr Zimmer zu verlassen; Heathcliff hatte ihnen nicht erlaubt, sie zu sehen. Ich schalt die dummen Burschen aus, weil sie sich ein Märchen hatten aufbinden lassen, das ich meinem Herrn gar nicht erzählen durfte, und beschloss, bei Tagesanbruch einen ganzen Trupp mit nach Wuthering Heights hinaufzunehmen und es regelrecht zu stürmen, falls uns die Gefangene nicht freiwillig ausgeliefert würde. Ihr Vater soll sie sehen, das gelobte ich mir wieder und wieder, und wenn der Teufel, beim Versuch, es zu verhindern, auf seiner Türschwelle totgeschlagen werden müsste!
    Glücklicherweise wurden mir der Weg und die Mühe erspart. Um drei Uhr war ich hinuntergegangen, um einen Krug Wasser zu holen, und ging damit durch die Halle, als ein lautes Klopfen am Haustor mich zusammenfahren ließ. »Oh, das ist Green«, sagte ich, mich auf mich selbst besinnend, »nur Green«, und ging weiter, um ihm durch jemand anders öffnen zu lassen; aber das Klopfen wiederholte sich, nicht laut, aber eindringlich. Ich stellte den Krug auf die Treppenstufe und eilte hin, um selbst zu öffnen. Hell schien draussen der Spätsommermond mit großer Klarheit. Es war nicht der Notar. Meine liebe süsse kleine Herrin fiel mir schluchzend um den Hals.
    »Ellen! Ellen! Lebt Papa?«
    »Ja«, rief ich, »ja, mein Engel, er lebt. Gott sei Dank, dass Sie wieder heil bei uns sind!«
    Atemlos, wie sie war, wollte sie in Mr. Lintons Zimmer hinauflaufen, aber ich zwang sie, sich erst einmal auf einen Stuhl zu setzen und etwas zu trinken; dann wusch ich ihr blasses Gesicht und rieb mit meiner Schürze so lange, bis etwas Röte darauf erschien. Dann sagte ich, dass ich zuerst hineingehen und ihre Ankunft melden müsse, und beschwor sie, zu sagen, dass sie mit dem jungen Heathcliff glücklich werden würde. Sie starrte mich zuerst verständnislos an; als sie jedoch begriff, warum ich diese offensichtlich falsche Darstellung von ihr verlangte, versicherte sie mir, sie werde keine Klage äussern.
    Ich konnte es nicht ertragen, bei dem Wiedersehen zugegen zu sein. Eine Viertelstunde stand ich draussen vor der Schlafzimmertür, und selbst dann wagte ich mich kaum in die Nähe des Bettes. Beide waren jedoch gefasst: Catherine in ihrer Verzweiflung war so schweigsam wie ihr Vater in seiner Freude. Sie stützte ihn, äusserlich ruhig, und er ließ seine Augen, die vor Glück geweitet schienen, auf ihren Zügen ruhen.
    Er starb glücklich, Mr. Lockwood. Es war so: er küsste ihre Wange und murmelte: »Ich gehe zu ihr, und du, liebes Kind, wirst auch zu uns kommen.« Danach sprach und bewegte er sich nicht mehr. Nur der strahlende, beglückte Blick blieb, bis sein Puls unmerklich aussetzte und seine Seele Abschied nahm. Niemand hätte die genaue Minute seines Todes nennen können, so völlig kampflos verschied er.
    Ob Catherine schon alle ihre Tränen im voraus vergossen hatte oder ob ihr Schmerz zu groß dafür war, sie saß mit trockenen Augen, bis die Sonne aufging; sie saß zu Mittag immer noch da und wäre noch weiter grübelnd an diesem Totenbett geblieben, wenn ich nicht darauf bestanden hätte, dass sie sich ein wenig niederlegte. Es war gut, dass ich sie fortgebracht hatte, denn zur Essenszeit erschien der Notar, der sich vorher in Wuthering Heights Verhaltungsmaßregeln geholt hatte. Er hatte sich an Mr. Heathcliff verkauft, das war der Grund, warum er gezögert hatte, dem Ruf meines Herrn Folge zu leisten. Glücklicherweise hatte diesen kein Gedanke an weltliche Dinge mehr berührt und gestört, nachdem seine Tochter zurückgekehrt war.
    Mr. Green übernahm es, über alles und alle bei uns zu verfügen. Er kündigte allen Dienstboten ausser mir. Er hätte seine Anmaßung so weit getrieben, zu verlangen, Edgar Linton solle nicht neben seiner Frau begraben werden, sondern in der Kapelle bei seiner Familie. Aber da war das Testament und meine lauten Verwahrungen dagegen, dass in irgendeiner Weise gegen seine Anordnungen verstoßen werde. Das Begräbnis fand überaus eilig statt; Catherine, jetzt Mrs. Linton Heathcliff, wurde gestattet, in Thrushcross Grange zu bleiben, bis die Leiche ihres Vaters beigesetzt war.
    Sie erzählte mir, dass ihr Schmerz Linton schließlich dazu veranlasst hatte, das Wagnis ihrer Befreiung auf sich zu nehmen. Sie hatte die Männer, die ich abgeschickt hatte, an der Tür gehört und hatte den Sinn von Heathcliffs Antwort erraten.

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