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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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rief ich aus. »Wie bringen Sie es fertig, ohne sie hier zu leben, wenn ich mir die Frage erlauben darf? Obwohl ich eine große Bibliothek zur Verfügung habe, finde ich das Leben in Thrushcross Grange oft sehr eintönig; wenn man mir meine Bücher wegnähme, wäre ich verzweifelt.«
    »Ich habe immer gelesen, solange ich Bücher hatte«, sagte Catherine; »Mr. Heathcliff liest niemals, deshalb hat er es sich in den Kopf gesetzt, meine Bücher zu vernichten. Ich habe seit Wochen nicht ein einziges zu Gesicht bekommen. Nur einmal habe ich Josephs Vorrat an theologischen Werken durchstöbert, zu seinem großen Ärger, und ein anderes Mal geriet ich über einen verborgenen Stapel in deinem Zimmer, Hareton: etwas Latein und Griechisch und einige Erzählungen und Gedichte, alles alte Freunde. Diese brachte ich her, und du hast sie weggenommen, wie eine Elster silberne Löffel fortträgt, aus Lust am Stehlen. Dir nützen sie nichts; aber vielleicht hast du sie in der bösen Absicht versteckt, dass niemand anderes Freude daran haben soll, weil du sie nicht haben kannst. Vielleicht hat Mr. Heathcliff mich meiner Schätze auf deinen Rat hin beraubt? Aber die meisten von ihnen sind in mein Gehirn geschrieben und in mein Herz eingeprägt, und die kannst du mir nicht rauben.«
    Earnshaw wurde dunkelrot, als seine Kusine diese Enthüllungen über seine private literarische Sammlung machte, und stammelte eine entrüstete Zurückweisung ihrer Anschuldigungen.
    »Mr. Hareton möchte seine Kenntnisse erweitern«, kam ich ihm zu Hilfe. »Er ist nicht neidisch, sondern wissbegierig. In ein paar Jahren wird er ein gelehrter Mann sein.«
    »Und er will, dass ich unterdessen zu einem Dummkopf herabsinke«, antwortete Catherine. »Jawohl, ich höre ihn buchstabieren und laut vor sich hin lesen, und schöne Fehler macht er! Ich wünschte, du wiederholtest ›Chevy Chase‹, so wie du es gestern aufgesagt hast; das war zu spaßig. Ich habe dir zugehört und habe gemerkt, wie du im Wörterbuch nach den schweren Wörtern gesucht und dann darüber geflucht hast, dass du ihre Erklärungen nicht lesen konntest.«
    Der junge Mann fand es augenscheinlich zu schlimm, dass er erst wegen seiner Unwissenheit ausgelacht wurde und dass man sich dann darüber lustig machte, wie er sie aus eigener Kraft zu überwinden suchte. Ich hatte den gleichen Eindruck, und in Erinnerung an Mrs. Deans Geschichtchen von seinem ersten Versuch, die geistige Dunkelheit aufzuhellen, in der er aufgewachsen war, bemerkte ich: »Aber Mrs. Heathcliff, wir haben alle einmal angefangen und sind alle auf der Schwelle gestolpert; hätten unsere Lehrer uns verspottet, statt uns zu helfen, dann würden wir heute noch stolpern und wanken.«
    »Oh«, antwortete sie, »ich will seinem Wissen keine Grenzen setzen; aber er hat kein Recht, sich meinen Besitz anzueignen und ihn mir durch seine schrecklichen Fehler und seine falsche Aussprache lächerlich zu machen. Diese Bücher, sowohl die Prosa wie die Gedichte, waren mir durch andere Erinnerungen geheiligt, und ich kann es nicht ertragen, dass sie durch seinen Mund herabgesetzt und entweiht werden. Überdies hat er sich, wie aus vorsätzlicher Bosheit, gerade meine Lieblingsstücke ausgesucht, die ich am allerliebsten wiederhole.«
    Haretons Brust hob und senkte sich einen Augenblick stumm; er kämpfte mit einer heftigen Empfindung der Demütigung und des Zornes, die schwer zu unterdrücken war. Ich stand auf, und aus dem ritterlichen Gefühl, ihn aus seiner Verlegenheit zu befreien, stellte ich mich in den Torweg, von wo ich die Aussenwelt überblicken konnte. Er folgte meinem Beispiel und verließ das Zimmer, erschien aber bald wieder mit einem halben Dutzend Bücher in den Händen, die er Catherine in den Schoß warf. Dabei rief er: »Nimm sie! Ich will nie wieder etwas von ihnen hören, darin lesen oder wieder an sie denken.«
    »Jetzt will ich sie auch nicht mehr«, antwortete sie. »Ich würde sie in Beziehung zu dir bringen und sie nicht mehr ausstehen können!«
    Sie öffnete eines, das offenbar viel gebraucht worden war, und las eine Weile in der gedehnten Art eines Anfängers daraus vor; dann lachte sie und warf es beiseite. »Hören Sie zu«, fuhr sie herausfordernd fort und fing an, eine Strophe aus einer alten Ballade in derselben Weise zu sprechen.
    Aber seine Eigenliebe konnte diese Quälerei nicht länger ertragen: ich hörte — und war durchaus nicht entrüstet darüber — einen handgreiflichen Verweis, der ihrem

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