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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Heathcliff auf der einen und dem völlig stummen Hareton auf der anderen Seite nahm ich eine ziemlich unerfreuliche Mahlzeit ein und verabschiedete mich bald. Ich wäre gern zur hinteren Tür hinausgegangen, um einen letzten Blick auf Catherine zu erhaschen und den alten Joseph zu ärgern; aber Hareton erhielt den Auftrag, mein Pferd zu bringen, und mein Gastgeber begleitete mich selbst zum Tor, so konnte ich meinen Wunsch nicht in die Tat umsetzen.
    ›Wie traurig vergehen die Tage in dem Hause dort!‹ überlegte ich, während ich die Straße hinunterritt. ›Hätte es Mrs. Linton Heathcliff nicht wie das Wahrwerden eines Märchens aus Tausendundeiner Nacht vorkommen müssen, wenn sie und ich eine Zuneigung füreinander gefasst hätten, wie ihre gute Kinderfrau es ersehnte, und wenn wir zusammen in die erregende Atmosphäre der Stadt geflüchtet wären?‹
     
     

Zweiunddreissigstes Kapitel
    1802. Im September dieses Jahres lud mich ein Jagdfreund ein, sein Moor im Norden unsicher zu machen, und auf meiner Reise nach seinem Landsitz befand ich mich ganz unerwartet fünfzehn Meilen von Gimmerton entfernt. Der Stallknecht eines Wirtshauses an der Straße hielt meinen Pferden einen Eimer Wasser zum Tränken hin, als ein Fuder mit sehr grünem, eben geschnittenem Hafer vorüberfuhr. Der Bursche meinte: »Das kommt von Gimmerton rüber. Die sin immer drei Wochen hinter alle andere Leute zurück mit ihre Ernte.«
    »Gimmerton?« wiederholte ich, die Erinnerung an meinen Aufenthalt in jener Gegend war schon blass und unwirklich geworden. »Ach ja, ich weiss. Wie weit ist das von hier?«
    »Na, so vierzehn Meilen über die Berge; un ne schlechte Straße«, antwortete er.
    Ein plötzlicher Einfall trieb mich, Thrushcross Grange aufzusuchen. Es war eben Mittag, und ich überlegte mir, dass ich die Nacht ebensogut unter meinem eigenen Dach wie in einem Gasthaus verbringen könnte. Ausserdem konnte ich leicht einen Tag erübrigen, um mit meinem Gutsherrn alles zu regeln, und konnte mir auf diese Weise die Mühe sparen, noch einmal in diese Gegend zu kommen. Nachdem ich eine Weile geruht hatte, ließ ich durch meinen Diener den Weg nach dem Dorf erfragen, und mit großem Kraftaufwand für unsere Tiere legten wir den Weg in etwa drei Stunden zurück.
    Ich ließ den Mann dort und setzte meinen Weg das Tal hinunter allein fort. Die graue Kirche sah noch grauer aus und der einsame Friedhof noch einsamer. Ich sah ein Moorschaf, das den kurzen Rasen auf den Gräbern abweidete. Es war köstliches, warmes Wetter, zu warm zum Wandern; aber die Hitze hinderte mich nicht am Genuss der entzückenden Landschaft über und unter mir: hätte ich sie schon im August gesehen, hätte sie mich zweifellos dazu verlockt, einen Monat in ihrer Einsamkeit zu verbringen. Im Winter konnte es nichts Traurigeres, im Sommer nichts Herrlicheres geben als die zwischen Bergen eingeschlossenen Schluchten und die steilen, mit Heidekraut bewachsenen Hänge.
    Ich erreichte Thrushcross Grange vor Sonnenuntergang und klopfte an; aber die Bewohner hatten sich in den hinteren Teil des Hauses zurückgezogen, wie ich aus einem dünnen blauen Rauchwölkchen schloss, das sich vom Küchenschornstein emporkringelte, und hörten mich nicht. Ich ritt in den Hof. In der Torfahrt saß ein Mädchen von neun oder zehn Jahren und strickte, und eine alte Frau lehnte sich an die Rampe und rauchte nachdenklich eine Pfeife.
    »Ist Mrs. Dean drin?« fragte ich die Frau.
    »Mrs. Dean? Nee«, antwortete sie. »Die wohnt nich mehr da; die is oben in Wuthering Heights.«
    »Dann sind Sie wohl die Haushälterin?« fuhr ich fort. »Ja, ich halt das Haus in Ordnung«, erwiderte sie.
    »Ich bin Mr. Lockwood, der Herr des Hauses. Sind ein paar Zimmer für mich bewohnbar? Ich möchte die Nacht über hier bleiben.«
    »Der Herr!« rief sie in großem Erstaunen. »Ja, wer hätt’n soll’n denken, dass Sie kämen? Sie hätten soll’n schreiben! Nu is nix zurechtgemacht un aufgeräumt, nee, wirklich!«
    Sie warf ihre Pfeife weg und eilte geschäftig ins Haus, das Mädchen folgte, und ich trat auch ein. Ich überzeugte mich bald, dass ihre Schilderung der Wahrheit entsprach und, vor allem, dass mein unerwartetes Erscheinen sie ganz aus der Fassung gebracht hatte. Ich ermahnte sie zur Ruhe; ich würde einen Spaziergang machen, und währenddessen sollte sie versuchen, mir eine Ecke des Wohnzimmers herzurichten, wo ich zu Abend essen, und ein Zimmer für die Nacht, worin ich schlafen könnte. Kein

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