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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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kaufen, wenn er mich zurückkriegt. Er ist imstande, mich hier zu suchen, nur um Edgar zu quälen; ich darf nicht hierbleiben, damit er in seiner Bosheit nicht erst auf den Gedanken kommt. Und überdies ist Edgar auch nicht freundlich zu mir gewesen, nicht wahr? Ich will ihn weder um Hilfe bitten noch ihm weitere Unannehmlichkeiten bereiten. Notgedrungen musste ich hier Schutz suchen; wenn ich nicht erfahren hätte, dass Edgar sich in sein Zimmer eingeschlossen hat, wäre ich nur in die Küche gegangen, hätte mein Gesicht gewaschen, mich gewärmt, mir von dir bringen lassen, was ich brauchte, und wäre weitergegangen, einerlei wohin, nur aus der Reichweite meines verfluchten dieses Bösewichtes. Oh, wie wütend er war! Wenn er mich erwischt hätte! Es ist ein Jammer, dass Earnshaw ihm an Körperkraft nicht gewachsen ist. Ich wäre nicht eher weggelaufen, bis ich ihn zerschmettert am Boden gesehen hätte, wenn Hindley ihn hätte überwältigen können.«
    »Nun, nun, sprechen Sie nicht so schnell, Miss!« unterbrach ich sie. »Das Taschentuch, das ich Ihnen umgebunden habe, verschiebt sich sonst, und die Wunde blutet wieder. Trinken Sie Ihren Tee, werden Sie ruhig und hören Sie auf zu lachen. Lachen ist wirklich nicht am Platz unter diesem Dach und in Ihrer Lage.«
    »Das ist zweifellos wahr«, erwiderte sie. »Hör nur das Kind! Es wimmert ununterbrochen! Lass es auf eine Stunde fortschaffen, damit ich es nicht mitanhören muss; länger werde ich nicht bleiben.«
    Ich klingelte und übergab das Kindchen der Obhut einer Magd. Dann fragte ich, was sie veranlasst habe, in einem so unmöglichen Zustand aus Wuthering Heights zu fliehen, und wohin sie zu gehen gedächte, da sie nicht bei uns bleiben wolle.
    »Ich möchte und ich sollte aus zwei Gründen hierbleiben: um Edgar zu trösten und das Kindchen zu pflegen, und weil Thrushcross Grange meine richtige Heimat ist. Aber glaube mir, er würde es nicht zulassen. Glaubst du, er könnte es ertragen, dass ich dick und vergnügt würde, und er könnte uns in Ruhe hier leben lassen, ohne unseren Frieden zu vergiften? Ich weiss genau, er verabscheut mich so sehr, dass er mich unter gar keinen Umständen in Seh- oder Hörweite haben kann. Wenn ich nur in seine Nähe komme, bemerke ich, dass seine Gesichtsmuskeln sich unwillkürlich zu einem Ausdruck von Hass verzerren. Hass, weil er weiss, dass ich guten Grund habe, ihn auch zu hassen, und Hass aus instinktivem Widerwillen. Diese Abneigung ist so stark, dass ich ziemlich sicher bin, er wird mich nicht durch ganz England verfolgen, wenn er annimmt, die Flucht sei mir gelungen; und darum muss ich weit weg von hier gehen. Ich wünsche mir nicht mehr den Tod von seiner Hand; aber ich wollte, er brächte sich eines Tages selbst um. Er hat meine Liebe ganz und gar zertreten, und jetzt fühle ich mich wieder frei. Ich kann mich noch dunkel erinnern, wie sehr ich ihn geliebt habe, und kann mir vorstellen, dass ich ihn immer noch lieben könnte, wenn… Nein, nein! Selbst wenn er in mich verliebt gewesen wäre, so hätte sich seine teuflische Natur doch irgendwie gezeigt. Catherine hat einen geradezu widernatürlichen Geschmack gehabt, dass sie ihn so hoch schätzte, obwohl sie ihn so gut kannte. Ungeheuer! Ich wollte, er könnte aus der Schöpfung und aus meinem Gedächtnis ausgetilgt werden.«
    »Still, still! Er ist auch ein menschliches Wesen«, sagte ich. »Seien Sie etwas nachsichtiger, es gibt noch schlimmere Menschen als ihn.«
    »Er ist kein menschliches Wesen«, erwiderte sie scharf, »und hat keinen Anspruch auf meine Menschenfreundlichkeit. Ich habe ihm mein Herz geschenkt, er nahm es, hat es zu Tode gequält und hat es mir dann wieder vor die Füsse geworfen. Die Menschen fühlen mit dem Herzen, Ellen; und nachdem er das meine zertreten hat, bin ich nicht mehr fähig, für ihn zu fühlen, und ich will es auch nicht, selbst dann nicht, wenn er von heute bis zu seinem Sterbetag seufzen und blutige Tränen um Catherine weinen würde. Nein, wahr und wahrhaftig, ich will nicht!«
    Bei diesen Worten fing Isabella an zu weinen, doch sie wischte sich schnell die Tränen von den Augen und begann von neuem: »Du hast mich gefragt, was mich schließlich zur Flucht getrieben hat. Ich musste sie versuchen, weil ich zuletzt seine Wut so gesteigert hatte, dass sie seine berechnende Bösartigkeit noch übertraf. Jemandem die Nerven mit rot-glühenden Zangen herauszureissen erfordert mehr Kaltblütigkeit, als ihm einen Schlag auf den Kopf

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