Emma im Glück
Dank!« Mama drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Dann ziehe ich mich jetzt schnell um.«
»Wo willst du eigentlich hin?«, fragte ich, aber Mama war schon aus der Küche gewirbelt. So aufgekratzt hatte ich sie lange nicht mehr gesehen.
Es klingelte und ich ging zur Tür.
»Hallo, Emma!« Thomas hob lässig die Hand. Seine dunklen Locken standen unordentlich vom Kopf ab und er hatte sich offenbar länger nicht mehr rasiert. Keine Ahnung, was Mama an dem Typen fand. Papa sah jedenfalls tausendmal besser aus.
»Was willst du denn hier?«, fragte ich mürrisch.
»Nette Begrüßung.« Thomas grinste. »Ich will deine Mutter abholen.«
»Die ist noch nicht fertig.« Es passte mir nicht, dass dieser Thomas schon wieder hier aufkreuzte. Reichte es denn nicht, dass er jeden Freitag nur mit einem Bademantel bekleidet in unserer Küche herumsaß? Der Typ entwickelte sich allmählich zu einem echten Störfaktor.
»Kein Problem, dann warte ich solange.« Er ging einfach an mir vorbei in die Küche. Der benahm sich fast so, als wäre er schon hier eingezogen. Na, das könnte ihm so passen!
Ärgerlich marschierte ich hinterher. Thomas nahm sich gerade eine Tasse aus dem Schrank und goss sich Kaffee ein. Er sah sich suchend um. »Habt ihr auch irgendwo Zucker?«
»Nein.« Ich lehnte mich gegen die Spüle und verschränkte die Arme vor der Brust. »Bei uns gibt es keinen Zucker. Wir leben hier nämlich total gesund.«
»Aha.« Thomas pustete in seine dampfende Tasse. »Kein Problem, dann trinke ich den Kaffee eben schwarz.«
Ich beschloss, nicht lange um den heißen Brei herumzureden. »Hast du eigentlich eine Freundin?«
Thomas sah mich belustigt an. »Nein, zurzeit nicht.«
Ich nickte. Ich hatte nichts anderes erwartet. »Wie alt bist du?«
Thomas grinste. »Wird das ein Verhör?« Als ich keine Miene verzog, wurde er wieder ernst. »Ich bin fünfundzwanzig. In drei Monaten werde ich sechsundzwanzig. Zufrieden?«
Nein, ich war keineswegs zufrieden.
»Mama hat auch bald Geburtstag«, erzählte ich im Plauderton. »Sie wird sechsunddreißig. Ich schätze, das werden wir ganz groß feiern. Wahrscheinlich wohnt mein Vater dann auch wieder hier. Die beiden sind nämlich kurz davor, sich zu versöhnen. Dann sind wir endlich wieder eine richtige Familie.«
Ich wartete auf eine Reaktion, aber Thomas starrte nur nachdenklich in seine Kaffeetasse.
»Glaubst du wirklich, dass deine Eltern sich wieder vertragen?«, fragte er langsam.
Ich nickte heftig. »Auf jeden Fall. Sie passen prima zusammen. Außerdem braucht Lili ihren Vater, das ist doch sonnenklar.«
In Wirklichkeit war ich mir da nicht so sicher, aber das musste Thomas ja nicht unbedingt wissen.
»Da bin ich!« Mama kam in die Küche. Sie hatte Lili auf dem Arm. »Hallo, Thomas!« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Wollen wir los?«
Thomas nickte. »Klar.« Er stellte seine Tasse auf die Arbeitsplatte.
Mama drückte mir Lili in den Arm. »Ich hab sie gerade noch gestillt und gewickelt, am besten gehst du gleich ein bisschen mit ihr raus, okay?«
Ich nickte. »Klar. Kein Problem. Und was macht ihr?«
»Wir fahren nach Dederstadt und besorgen neue Farben für den Aktmalkurs.« Mama lächelte Thomas zu. »Thomas hat sich netterweise bereit erklärt, mir beim Tragen zu helfen. Darf ich dich hinterher als kleines Dankeschön zu einem Kaffee einladen?«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Warum nicht?« Er klang längst nicht so begeistert wie sonst. Ich begann innerlich zu grinsen. Vielleicht hatte unsere kleine Unterhaltung ja tatsächlich etwas bewirkt.
»In spätestens zwei Stunden sind wir wieder da.« Mama warf Lili und mir eine Kusshand zu. »Tschüss, ihr beiden! Viel Spaß!« Und schon war sie weg.
Eine halbe Stunde später spazierte ich mit Lili durch den Ort. Zum Glück war Lili ziemlich schnell im Kinderwagen eingeschlafen, sodass ich meine Ruhe hatte. Ich hätte gerne irgendwen besucht, aber ich wusste nicht, wen. Früher wäre ich einfach bei Lea vorbeigegangen. Aber die Zeiten waren vorbei. Wahrscheinlich war sie sowieso nicht da, sondern hockte mit Simone in irgendeinem stinkenden Pferdestall und himmelte zottelige Ponys an. Heute waren Lea und Simone im Partnerlook in der Schule erschienen, beide in knallengen Röhrenjeans und pinkfarbenen T-Shirts mit der Aufschrift »Kiss me!«. Total peinlich.
Ich ging immer weiter, ohne auf den Weg zu achten, und hing meinen Gedanken nach. Leider waren sie nicht besonders angenehm. Von Lea
Weitere Kostenlose Bücher