Emma im Glück
So hatte ich sie noch nie gesehen. Eigentlich ist Oma ein richtiges Energiebündel. Sie kann keinen Moment still sitzen und muss immer irgendetwas tun.
Oma öffnete die Augen. »Keine Sorge, es geht gleich wieder. Meine alten Knochen brauchen nur einen Moment Ruhe. So eine Anprobe ist ganz schön anstrengend, weißt du? Und die Hochzeitsvorbereitungen halten mich auch wahnsinnig auf Trab.«
»Kann ich mir vorstellen.« Ich setzte mich neben Oma aufs Sofa. Sie sah tatsächlich ziemlich müde aus und die Falten in ihrem Gesicht schienen ein wenig tiefer geworden zu sein. »Soll ich dir einen Tee kochen?«
»Nein danke, nicht nötig.« Sie lächelte schwach. »Erzähl mir lieber was von dir. Wie geht es eigentlich Bastian? Ich hab ihn lange nicht mehr gesehen.«
»Wir treffen uns nicht mehr so oft.« Ich ließ den Kopf hängen und starrte auf meine Füße. »Er ist aus dem Schwimmverein ausgetreten. Stattdessen spielt er jetzt Fußball.«
»Und das gefällt dir nicht?«, fragte Oma.
Ich kaute auf meiner Unterlippe herum. »Fußball ist doch blöd. Außerdem ist Bastian ein super Schwimmer. Er hätte nicht damit aufhören sollen.«
Oma nahm meine Hand. »Weißt du, Emma-Kind, jeder Mensch muss selbst wissen, was für ihn das Richtige ist. Du kannst nicht für Bastian entscheiden.«
»Ja, ich weiß«, murmelte ich. »Aber es passt mir trotzdem nicht. Wir sehen uns nur noch total selten. Manchmal glaube ich, Bastian mag mich nicht mehr.«
Oma tätschelte meine Hand. »Da liegst du bestimmt falsch. Wahrscheinlich ist Bastian gerade so mit seinem neuen Hobby beschäftigt, dass er an nichts anderes denken kann. Wart’s ab, bald hat er wieder mehr Zeit für dich.«
»Hoffentlich …« Ich war noch nicht so richtig überzeugt.
»Und wenn nicht, dann solltest du mal mit ihm reden«, sagte Oma. »Manchmal wirkt eine offene Aussprache wahre Wunder. Oder ihr unternehmt mal wieder etwas Schönes zusammen. Vielleicht ergibt sich dabei ja die Gelegenheit zu einem ungestörten Gespräch.«
»Bastian hat am Sonntag Geburtstag«, erzählte ich. »Eigentlich wollte ich ihn mit einem ganz besonderen Geschenk überraschen. Irgendetwas Romantisches. Aber mir fällt einfach nichts ein. Hast du vielleicht eine Idee?«
Oma dachte nach. »Etwas Romantisches … hm … das ist nicht so leicht …« Plötzlich begann sie zu strahlen. »Ich hab’s! Wie wär’s mit einem romantischen Geburtstagspicknick im Park?«
»Ein Picknick?« Ich runzelte die Stirn. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.
»Genau! Damit hab ich deinen Opa mal überrascht, als wir gerade frisch verliebt waren.« Sie lachte. »Das muss inzwischen ein halbes Jahrhundert her sein! Du brauchst nur einen Picknickkorb voller Leckereien, wie zum Beispiel Muffins, Obst, belegte Brötchen, selbst gebackene Kekse und was Bastian sonst noch mag. Dazu etwas zu trinken, eine Picknickdecke und Geschirr. Dann muss bloß noch das Wetter mitspielen und ihr könnt euch einen wundervollen Nachmittag an der frischen Luft machen.«
Ich überlegte. Ja, das konnte ich mir gut vorstellen: nur Bastian und ich auf einer Picknickdecke, über uns der blaue Himmel und neben uns ein Korb voller leckerer Schlemmereien. Das würde Bastian bestimmt gefallen.
Ich drückte Oma einen Kuss auf die Wange. »Das ist eine super Idee! Du bist eben einfach die Beste!«
Oma lachte. »Weiß ich doch, Emma-Kind.«
Ein Wimmern ertönte aus dem Flur. Lili war aufgewacht. Ich warf einen Blick auf die Standuhr neben dem Kamin und sprang auf. »Mist! Ich muss nach Hause, Mama ist bestimmt schon zurück. Und Lili hat garantiert Hunger.«
Ich lief aus dem Wohnzimmer und schnappte mir den Kinderwagen.
»Schöne Grüße an alle!«, rief Oma mir nach. Aber da war ich mit Lili bereits auf dem Weg nach draußen.
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11 . Kapitel
Emma will keinen Vaterkomplex
A m Sonntag schien die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Es war kein Wölkchen in Sicht und zum geöffneten Dachfenster wehte warme Frühlingsluft herein. Das ideale Picknickwetter! Ich war schon früh wach und konnte es kaum erwarten, endlich zu Bastian zu fahren. Aber ein bisschen musste ich mich noch gedulden. Vor elf konnte ich nicht bei Bastian auftauchen, weil seine Mutter und seine Oma ein Familien-Geburtstagsfrühstück geplant hatten. Hoffentlich stopfte er sich dabei nicht so voll, dass er nachher keinen Hunger mehr hatte …
Ich stand vor meinem Schrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Normalerweise verschwendete
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