Emma im Glück
von Simones Cousine Linda, die einfach nicht wiederauftauchte.
Klara hörte aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen. Als ich fertig war, konnte ich ihr nicht in die Augen sehen. Was musste sie denn jetzt von mir denken? Dass ich eine geldgierige, kaltherzige Person war, die ihre hilflose kleine Schwester an skrupellose Menschenhändler verscherbelte. Na ja, oder zumindest fast.
»Ich weiß, dass ich totalen Mist gebaut habe«, murmelte ich. »Wenn Lili etwas passiert ist, verzeihe ich mir das nie.« Mein Handy klingelte. Ich stöhnte. Meine Mutter! Auch das noch. Ich zögerte, dann nahm ich das Gespräch an.
»Wo steckst du denn, Emma?« Mamas fröhliche Stimme versetzte mir einen Stich. Wenn sie wüsste, was ich getan hatte, würde sie nie mehr so fröhlich klingen. »Ich warte schon auf euch.«
Ich schluckte. »Ich hab den Bus verpasst. Tut mir leid.«
»Kein Problem.« Mama wurde überhaupt nicht sauer, was die Sache fast noch schlimmer machte. »Soll ich euch abholen?«
»Nicht nötig«, murmelte ich. »Der nächste Bus kommt in zehn Minuten.«
»Prima, dann bis später.« Mama stutzte. »Alles in Ordnung, Emma? Du klingst so komisch.«
»Die Verbindung ist gerade ganz schlecht, Mama«, behauptete ich. »Ich muss jetzt Schluss machen. Tschüss!«
Klara stand immer noch neben mir. Natürlich hatte sie alles mitbekommen. »Und was willst du jetzt machen?«, fragte sie.
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich muss irgendwie diese Linda finden. Und zwar so schnell wie möglich. Lili ist bestimmt schon ganz durcheinander. Und Hunger müsste sie auch haben.«
»Ruf doch bei Simone an«, schlug Klara vor. »Sie hat bestimmt die Handynummer ihrer Cousine.«
Ich stöhnte. »Stimmt! Warum bin ich da nicht selbst draufgekommen?« Hastig zog ich mein Handy noch einmal hervor. Eine Minute später hatte ich Lindas Handynummer und rief sie an. »Mist!«, schimpfte ich. »Es geht nur die Mailbox dran. Und was jetzt?«
»Ich helf dir suchen«, sagte Klara. »Komm!«
Wir rannten los. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen und die Straßen füllten sich wieder mit Menschen. Wir fragten jeden, der uns begegnete, nach einem Mädchen mit einem Kinderwagen. Die meisten Leute schüttelten nur den Kopf. Ich wurde immer verzweifelter. Schließlich blieb ich stehen. Die Tränen schnürten mir die Kehle zu.
»Das bringt doch nichts!«, stieß ich hervor. »Wir verschwenden nur unsere Zeit. Ich gehe jetzt zur Polizei!«
Klara nickte. »Okay. Vielleicht ist das wirklich das Beste.« Sie klang ernst, aber kein bisschen vorwurfsvoll. Das rechnete ich ihr hoch an. »Gehen wir.«
»Du willst mitkommen?«, fragte ich überrascht. »Musst du nicht langsam nach Hause? Nicht, dass du meinetwegen Ärger bekommst.«
»Das geht schon in Ordnung.« Klara grinste schief. »Mach dir um mich mal keine Sorgen.«
Ich lächelte Klara dankbar zu. Ehrlich gesagt war ich ziemlich erleichtert, dass ich nicht allein zur Polizei musste. Ich hatte keine Ahnung, was mich dort erwartete. Ob sie mich gleich einsperren würden? Zumindest würden sie mir eine ordentliche Strafpredigt halten, weil ich nicht ordentlich auf meine Schwester aufgepasst hatte. Vielleicht musste ich auch eine Geldstrafe zahlen. Keine dieser Möglichkeiten war besonders verlockend, aber ich hatte keine Wahl. Wenn ich Lili zurückbekommen wollte, war die Polizei meine einzige Hoffnung. Entschlossen marschierte ich los.
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15 . Kapitel
Der schlimmste Tag meines Lebens
D as Polizeipräsidium befand sich in einem großen alten Gebäude. Rechts und links vom Eingang standen zwei riesige Steinsäulen. Als ich neben Klara die Stufen hinaufstieg, klopfte mir das Herz bis zum Hals. Klara griff nach meiner Hand und drückte sie. Ohne Klara wäre ich vermutlich schnurstracks wieder umgekehrt.
»Wird schon nicht so schlimm werden«, flüsterte Klara mir zu, als wir die Eingangshalle betraten.
Ich nickte. Sagen konnte ich nichts. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Wir gingen zum Empfangstresen, hinter dem ein junger Polizist stand und uns freundlich zulächelte. Das Lächeln würde ihm gleich vergehen.
Ich ließ Klaras Hand los und räusperte mich. »Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben«, flüsterte ich. Diesen Satz hatte ich schon so oft in irgendwelchen Fernsehkrimis gehört. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn selbst einmal aussprechen würde.
Der Polizist musterte uns immer noch mit einem leichten Lächeln. »Eine Vermisstenanzeige?«, fragte er.
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