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Emma im Glück

Emma im Glück

Titel: Emma im Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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Wochen waren ihr ganz weiche blonde Haare gewachsen, die sich an den Spitzen leicht kräuselten. Sie hatte dicke Pausbacken bekommen und erkannte die Leute aus ihrer Familie wieder. Sie schrie auch nicht mehr so viel wie am Anfang. Nur ihre Windeln stanken immer noch genauso, wenn sie voll waren.
    Alles in allem hatte ich jedoch den Eindruck, dass aus meiner Schwester tatsächlich noch etwas Anständiges werden könnte.
    »Ich werde schon dafür sorgen, dass etwas aus dir wird, nicht wahr?«, sagte ich zu Lili. »Ein richtiger Pfundskerl, nicht so eine Zimperliese wie Lea.« Lili krähte zustimmend.
    »Was ist mit Lea?«, fragte Mama, die gerade mit ihrer Handtasche zurückkam.
    »Nichts«, sagte ich schnell. »Das neue Rüschenkleid steht Lili echt gut.«
    Mama warf mir einen misstrauischen Blick zu, sagte aber nichts mehr. Seit dem Nachmittag, an dem Lili verschwunden war, hatte sie ständig Angst, ich könnte wieder irgendetwas im Schilde führen. Dabei hatte ich ihr hoch und heilig versprochen, dass so etwas nie mehr vorkommen würde. Und daran hatte ich mich bis jetzt auch gehalten.
    Mama war natürlich erst mal stinksauer gewesen, als ich ihr alles gebeichtet hatte. Und enttäuscht. Und geschockt. Sie hatte geweint und ich auch. Es war ziemlich schlimm. Zum Glück hatte sie sich nach einer Weile wieder beruhigt. Erst wollte sie, dass ich den Mädchen, die Lili schieben durften, ihr Geld zurückgebe, aber dann haben wir uns auf etwas anderes geeinigt. Ich hab Lili von dem Geld nicht nur eine Rassel, sondern auch noch ein tolles Mobile für ihren Wickeltisch und einen superkuscheligen Teddybären gekauft. Für mich war danach nichts mehr übrig, aber das fand ich nicht so schlimm. Eigentlich hat ja auch Lili das Geld verdient und nicht ich.
    Leider bekomme ich jetzt bis zu den Sommerferien kein Taschengeld mehr. Darum war ich in letzter Zeit ziemlich knapp bei Kasse, aber damit kann ich leben. Es gibt Schlimmeres, finde ich.
    »Wir müssen los, Leute.« Mama sah nervös auf die Uhr. »Oma wartet bestimmt schon auf uns.«
    Mona kam die Treppe herunter und wir machten uns auf den Weg. Tim war schon vor einer Stunde losgetrabt, um die Lichtanlage abzuholen, die ihm einer seiner Computerfreunde leihen wollte.
    Als wir den Hof überquerten, kam Gesa aus dem Atelier, in dem sie seit Papas Auszug wohnt. Sie trug ein Batikkleid, das in allen Farben des Regenbogens schillerte, und hatte sich zur Feier des Tages die Haare hochgesteckt.
    »Seid ihr bereit?«, rief sie fröhlich. »Dann kann die Party ja losgehen!«
    Plötzlich zuckte Mona zusammen und griff sich an die Wange. »Aua!«, stöhnte sie.
    »Was ist denn los?«, fragte Gesa.
    »Ich weiß auch nicht. Hier oben tut’s auf einmal furchtbar weh.« Mona zeigte auf ihre linke Backe. »Als ob der Blitz eingeschlagen hätte. Au!« Sie verzog das Gesicht. »Schon wieder!«
    »Zahnschmerzen«, sagte ich fachmännisch. »Du hast bestimmt ein Loch.«
    »Meinst du?« Mona sah mich ängstlich an. »Ich wusste gar nicht, dass das so wehtut! Was soll ich denn jetzt machen?«
    Gesa zückte ihren Autoschlüssel. »Ich fahr dich nach Dederstadt zum Zahnarzt. Wie hieß er noch gleich?«
    »Karl Wieland«, sagte ich hilfsbereit. »Glockengasse  13 a.« Ich zwinkerte Mona zu. »Viel Spaß!«
    Sie stöhnte. Besonders glücklich sah sie nicht aus, dabei hätte sie sich doch eigentlich freuen müssen. Endlich war ihr Plan aufgegangen!
    »Beeilt euch!«, rief Mama den beiden hinterher, während sie in Gesas VW -Bus stiegen. »Um zwölf beginnt die Trauung, bis dahin müsst ihr wieder zurück sein!«
    »Keine Sorge, das schaffen wir.« Gesa schlug die Autotür zu, steckte den Schlüssel ins Schloss und ließ den Motor aufheulen. Der Bus raste in halsbrecherischem Tempo vom Hof.
    Siebeneinhalb Minuten später standen Mama, Lili und ich vor dem Pfarrhaus. Ich klingelte Sturm. Es dauerte eine Weile, bis schlurfende Schritte im Flur zu hören waren. Oma öffnete die Tür. Sie war noch im Morgenmantel, ihre grauen Locken standen wirr vom Kopf ab und ihr Gesicht war tränenüberströmt.
    »Was ist denn los?«, rief Mama erschrocken. »Ist was mit Gerhard? Hatte er einen Unfall? Jetzt red schon!«
    Oma schluchzte auf. Ihre Unterlippe zitterte. Dann verkündete sie mit Grabesstimme: »Es ist alles aus.«
    »Was ist aus?« Mama schob Lilis Kinderwagen in den Flur und zog Oma ins Wohnzimmer. »Hat Gerhard etwa kalte Füße gekriegt? Will er die Hochzeit abblasen? Na warte, dem werde ich was

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