Emma und der Rebell
ihren Arm und zog Emma mit sich. Feiner weißer Kies knirschte unter
ihren Füßen, als sie Steven über den Strand ins Innere der Insel folgte.
Ihr Lächeln
war gezwungen, und sie sprach viel lauter als gewöhnlich. »Könnten wir nicht
einfach an der Anlegestelle bleiben und dort das Picknick machen?«
Steven
schob sie die grasbewachsene Böschung hinauf, und die einzige Antwort, die sie
von ihm erhielt, war ein abweisendes Kopfschütteln und ein etwas
herablassender Blick.
Wenige
Meter vor ihnen tauchte eine verfallene Hütte auf, die nur noch aus zwei Mauern
und einem Kamin bestand. Irgendein Tier hatte im Kamin genistet, und zwischen
den wenigen verbliebenen Dielen wucherte Gras.
»Wer mag
hier gewohnt haben?« fragte Steven sinnend. Emma strich sich nervös über das
Haar. »Irgendwelche Siedler. Ich habe vergessen, wie sie hießen.«
Steven ließ
ihre Hand los und schaute sich prüfend in der Ruine um. »Es muß wunderbar
gewesen sein, so ganz allein hier draußen zu leben – nur ein Mann, eine Frau
und vielleicht noch ein paar Kinder.«
»Es war
bestimmt ein sehr einsames Leben«, entgegnete Emma. »Du
kannst dir gar nicht vorstellen, wie kalt es hier im Winter ist! Die Leute
müssen wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten gewesen sein.« Die
Vorstellung ließ sie erschauern, obwohl die Mailuft schon so warm war, daß die
Bienen ausgeflogen waren.
»Sie hatten
sicher genug Beschäftigung«, sagte Steven leise und streckte die Hand nach Emma
aus. Wie stets fühlte sie sich wie magnetisch von ihm angezogen und ging
bereitwillig zu ihm.
Errötend
senkte sie den Blick, als sie versuchte, sich Steven und sich selbst bei einer
solchen > Beschäftigung < vorzustellen. »Ja, wahrscheinlich«, entgegnete
sie leise.
Hinter dem
alten Haus befand sich ein windschiefes, von wilden Rosen überwuchertes
Toilettenhäuschen, und das ganze Anwesen war von einem verwitterten Zaun
umgeben.
Steven nahm
die obersten beiden Latten ab, und Emma raffte ihre Röcke und kletterte
vorsichtig, um ihr Kleid nicht zu beschädigen, über den verblieben Rest des
Zauns. Steven folgte mit dem Picknickkorb.
»Wie weit
willst du noch gehen?« erkundigte sie sich verwundert. »Die meisten Leute
machen dicht am Wasser Picknick.«
»So? Nun,
wir werden uns erst einmal gründlich umsehen, bevor wir uns für einen Platz
entscheiden.«
Emma wagte
nicht sich auszudenken, welche Spekulationen die Leute jetzt anstellen mochten,
die sie vom Ufer aus beobachteten. »Fulton könnte jeden Augenblick hier
auftauchen«, warnte sie Steven, damit er nicht auf dumme Gedanken kam, was bei
ihm durchaus zu erwarten war.
Sein
Lächeln bestätigte es ihr. »Mach dir seinetwegen keine Sorgen, Emma. Der Kerl
hätte nicht einmal genügend Mut, sich mit seiner eigenen Großmutter anzulegen.«
Mißmutig
folgte Emma ihm durch das hohe Gras in ein Fichtenwäldchen. »Du hast kein
Recht, Fulton als Feigling zu bezeichnen«, entgegnete sie trotzig. »Er ist ein
feiner Mensch.«
Steven
blieb ganz unvermittelt stehen, und Emma, die ihm zornig nachgestürmt war,
stieß hart mit ihm zusammen.
Einen
endlos scheinenden Moment lang rührte sie sich nicht, obwohl Steven sie nicht
einmal anfaßte. Es war sein Blick, der sie festhielt und unter dem ihr seltsam
heiß wurde. »Wenn er solch ein feiner Mensch ist«,
entgegnete Steven rauh, »warum bist du dann jetzt hier bei mir?«
Die Frage
bestürzte Emma, und die einzige Antwort, die sie ihm darauf hätte geben können,
bestürzte sie noch mehr, und so sah sie Steven nur schweigend an und kam sich
vor wie eine Maus vor einem Kater.
»Nun?«
sagte Steven, seine Lippen schon ganz dicht an ihrem Mund.
Da ließ
endlich Emmas Starre nach, und sie wich zurück. »Ich bin hier, weil wir eine
Abmachung getroffen haben«, erwiderte sie kühl. »Du hast versprochen,
Whitneyville für immer zu verlassen. Oder hast du das schon vergessen?«
»Nein –
falls es nach unserem Picknick immer noch dein Wunsch ist«, antwortete er mit
einem anzüglichen Lächeln und setzte dann seinen Weg durch das dichte Unterholz
wieder fort.
Auf einer
kleinen Anhöhe auf der entgegengesetzten Seite von Whitneyville machte er
endlich halt. Die Aussicht auf den See war von hier aus atemberaubend schön,
und das satte grüne Gras der kleinen Lichtung war von Unmengen von weißen
Mageriten überwuchert.
Als Emma
die Blumen sah, vergaß sie ihre Sorgen. »Sieh nur, Steven, es müssen Tausende
von Blüten sein – mindestens eine für jeden Engel
Weitere Kostenlose Bücher