Emma und der Rebell
Staat Washington«, antwortete Big John. »Dort übernimmt die Armee
die Rinder und bringt sie nach Fort Deveraux.«
»Das ist
eine Reise von zehn Tagen«, sagte Steven nachdenklich.
»Vielleicht
sogar zwei Wochen«, meinte Big John. »Von zweihundert Rindern und ein, zwei
Wagen mit Vorräten kann man nicht erwarten, daß sie sich mit der gleichen
Schnelligkeit bewegen, wie ein einzelner Reiter es könnte.«
Steven
nickte zustimmend. »Gut. Wann geht die Reise los?« »Am Sonntag morgen, glaube
ich.«
»Wie viele
Männer werden mich begleiten?«
»Mit zwölf
guten müßten Sie eigentlich auskommen. Sie können sie sich selbst aussuchen.«
Steven
nickte. »Fein«, sagte er, und die beiden Männer besiegelten das Abkommen durch
einen Händedruck.
Steven
fluchte verhalten,
als er mit steifen Beinen in den Sattel stieg. Ein zweiwöchiger Ritt nach
Spokane hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt. Es war möglich, daß Emma bei
seiner Rückkehr diesen widerlichen Bankier geheiratet hatte, den sie so sehr zu
schätzen schien ...
Vielleicht
hätte er ihr doch erzählen sollen, daß er Fulton in Chloes Etablissement
begegnet war. Aber nein, es war schon richtig gewesen, darüber zu schweigen. Es
gab Dinge, die eine Frau selbst herausfinden mußte.
Stevens
Gedanken schweiften zu seinem Stiefbruder ab. Macon war ein nicht zu
ermüdender, unnachgiebiger Schuft und ihm bestimmt längst auf der Spur. Aber
trotz allem hatte Steven vielleicht Glück, und Macon ritt an Whitneyville
vorbei.
Steven
trieb den Wallach an, und er galoppierte über das grasbewachsene Land.
Schneebedeckte Berggipfel leuchteten in der Ferne, darunter erstreckten sich
dichte Nadelwälder. Ich werde dieses Land vermissen, wenn ich es verlasse,
dachte Steven traurig.
Aber auch
das würde zu ertragen sein, wenn Emma dann an seiner Seite war.
Die
Woche ging schneller
vorüber, als Emma lieb war, aber ihr neues Kleid war fertig und hing vor ihrem
Schrank, ein wunderhübsches Gebilde aus grüner Seite mit feinen schwarzen
Spitzen. Daisy war in der Küche und packte einen Picknickkorb, als Emma in
einem bestickten weißen Musselinkleid herunterkam.
»Kannst du
mir die Knöpfe schließen?« fragte Emma die alte Köchin.
»Klar«,
murmelte Daisy. »Paß nur auf, daß dieser junge Cowboy sie nicht wieder öffnet!«
Emma
versteifte sich entrüstet. »Daisy, wie kannst du so etwas sagen?«
»Ich war
auch einmal jung«, erwiderte Daisy nüchtern. »Aber ich rate dir trotzdem, dich
wie eine Dame zu benehmen, sonst versohle ich dir nämlich deinen Hintern!«
»Blödsinn«,
sagte Emma, aber sie lächelte, als sie sich zu Daisy umdrehte. »Wie sehe ich
aus?«
»Wie eine
Tigerlilie«, antwortete Daisy liebevoll. »Du bist eine Schönheit, Kind – kein
Wunder, daß dein Cowboy unbedingt mit dir allein sein will.«
Emmas
Lächeln verblaßte, als sie sich fragte, wie sie Steven widerstehen sollte, wenn
sie allein waren und er sie küssen wollte.
Daisy
tätschelte ihr lachend die Wange, als hätte sie ihre Gedanken erraten. »Keine
Angst, Emma – der Mann, dem es gelingt, wird auch der Richtige sein.« Dann
wurde sie ernst. »Was wird Mr. Whitney sagen, wenn er von dieser Teufelei
erfährt?«
»Es ist
keine Teufelei«, protestierte Emma, »nur ein Picknick, mehr nicht – etwas
völlig Harmloses.«
Daisy
kicherte entzückt. »Das hat Eva zu Adam auch gesagt.«
Bevor Emma
etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür, und Emma stürzte in die Halle, um
zu öffnen.
Steven
lächelte sie strahlend an. Er war sehr gut angezogen, aber unter seinem Rock
sah sie die Ausbuchtung des Colts. »Hallo, Emma«, sagte er und zog seinen neuen
Biberfellhut vor ihr.
Im
schwachen Licht der Eingangshalle nahm er ein sehr kleines Päckchen aus der
Westentasche und reichte es Emma. »Hier. Das ist für dich.«
Emma wollte
sich schon auf das Päckchen stürzen, als ihr zu Bewußtsein kam, wie unhöflich
das gewesen wäre. »Das hättest du nicht tun sollen«, antwortete sie bescheiden.
Steven
lachte. »Ich habe es aber getan.«
»Das
stimmt«, erwiderte sie, nahm ihm das Päckchen ab und entfernte hastig das
Papier.
Der kleine
Karton enthielt ein winziges Fläschchen echtes französisches Parfum. Emmas
Augen weiteten sich vor Freude, und rasch schraubte sie die Flasche auf und
roch daran.
Nicht
einmal im Paradies konnte es schönere Düfte geben! »Danke«, sagte sie
strahlend, erstaunt, daß ein Cowboy ein solch kostspieliges Geschenk machen
konnte. Nicht einmal Fulton mit
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