Emma und der Rebell
ein
Schluchzen klang. »Emma ... mein Gott, Emma ...« flüsterte er rauh, » ... ist
dir bewußt, was du da tust?«
Doch Emma
war viel zu beschäftigt, um darauf zu antworten. Nichts durfte diesen
kostbaren Moment zerstören, in dem sie sich zum ersten Mal ihrer Macht über ihn
bewußt geworden war, und die sie nun gründlich auszukosten gedachte.
Fulton
schaute dem einlaufenden
Dampfer zornig entgegen, aber er war nicht der einzige, der am Pier stand, um
die Ankunft des Postboots zu erwarten; die halbe Stadt schien sich hier
versammelt zu haben. Und das war für Fulton noch viel schlimmer als alles
andere.
Er sah, daß
Emmas Kleid zerknittert war und mit Grasflecken übersät, als sie an Fairfax'
Hand das Schiff verließ. Ihren langen Zopf schmückten Dutzende von weißen Margeriten,
was ihr ein bißchen das Aussehen einer Märchenfee verlieh. Und selbst aus der
Entfernung war nicht zu übersehen, daß ein müder, verträumter Ausdruck in ihren
Augen stand und ihre Wangen stark gerötet waren.
Eine
mörderische Wut erfaßte Fulton. Emmas Anblick ließ keinen Zweifel darüber zu,
was auf der Insel zwischen ihr und Fairfax vorgefallen war. Fairfax hatte Emma
verführt und sie vor allen Augen kompromittiert, und trotz allem war ihr deutlich
anzusehen, wie sehr sie das Erlebnis genossen hatte.
Doch Fulton
Whitney war ein Mann, der die Gabe besaß, jede Situation zu seinem Vorteil
auszunutzen. Wenn Emma sich Fairfax hingegeben hatte, hieß das für Fulton nur,
daß die Leute sich nicht geirrt hatten und Emma eine lüsterne kleine Schlampe
war. Und eine solche Frau im Bett zu haben war tausendmal besser, als seine
Nächte mit einem Blaustrumpf zu verbringen. Und mit einem bißchen Glück war
Emma vielleicht sogar zu jenen Spielchen bereit, die Fulton so großen Spaß
bereiteten ...
Eine
heftige Erregung erfaßte ihn bei der Vorstellung, Emma nackt in seinem Bett zu
haben, ganz seiner Gnade – oder Ungnade – ausgeliefert, und über ihren Körper
verfügen zu können, wie es ihm beliebte und so oft es ihn danach verlangte.
Fulton war fester als je zuvor entschlossen, sie zu heiraten, sogar jetzt noch,
nachdem sie sich diesem Revolverhelden hingegeben hatte.
Er
verspürte bei diesen Gedanken eine fast schmerzhafte Erektion. Bis heute hatte
er Emma wie eine Dame behandelt, doch nun begriff er, daß das nicht der
richtige Weg gewesen war. Ein direkteres Vorgehen war angesagt, und plötzlich
konnte er es kaum erwarten, mit ihr allein zu sein, um seinen Rechten Geltung
zu verschaffen.
Die
Vorfreude darauf vermittelte ihm die Kraft, die öffentliche Demütigung zu
ertragen, der Emma ihn ausgesetzt hatte.
Aber er war
froh, daß wenigstens seine Mutter nicht in der Stadt war und somit nichts von
dem skandalösen Lebenswandel ihrer zukünftigen Schwiegertochter wußte.
Der
Speisesaal des Crystal-Lake-Hotels
war für diesen Abend in einen eleganten Ballsaal umgewandelt worden, aber es
war sehr heiß darin und unangenehm stickig von dem starken Schweiß- und
Parfumgeruch, der die Luft erfüllte.
Emma
fächelte sich unablässig Luft zu, während sie in ihrem neuen grünen Kleid
unglücklich an Fultons Seite stand und sich reumütig fragte, warum sie seine
Einladung angenommen hatte. Doch für solche Überlegungen war es nun zu spät –
ein öder, endlos langer Abend erstreckte sich vor ihr.
Immer
wieder hielt sie nach Steven Ausschau, obwohl sie sicher war, daß nicht einmal
er so dreist sein konnte, sich nach den Ereignissen des Nachmittags in aller
Öffentlichkeit zu zeigen.
»Du siehst
bezaubernd aus heute abend«, flüsterte Fulton Emma zu. Dabei streifte sein
warmer Atem, der stark nach Alkohol roch, ihre Wange, und er schloß seine
schwitzende Hand so fest um ihre, daß sie gequält zusammenzuckte.
»Danke«,
murmelte sie und begann ihren Fehler bitterlich zu bereuen, weil es noch viel
schwerer als vorher sein würde, Fulton zu entmutigen.
»Ich habe
eine Überraschung für dich«, fuhr Fulton in geheimnisvollem Ton fort und
umklammerte ihre Hand so fest, daß er ihr fast die Finger brach.
Sie zuckte
zusammen und fragte mißtrauisch: »Was?« Aber noch bevor er antwortete, ahnte
sie schon, daß etwas sehr Unangenehmes auf sie zukam.
»Das wirst
du gleich sehen«, erwiderte er mit einem Lächeln, in dem Emma jedoch eine Spur
von Feindseligkeit zu sehen glaubte. Dann wandte er sich von ihr ab und machte
den Musikern ein Zeichen, ihre Darbietung zu unterbrechen.
Vielleicht
lag es daran, daß fast alle
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