Emma und der Rebell
Fairfax gefolgt!« widersprach Joellen. »Aber das nützt Ihnen nichts.
Wenn Daddy kommt, sage ich ihm, daß Steven und ich eine ganze Nacht zusammen
waren, und dann wird er Mr. Fairfax vor Wut zu Tode peitschen.«
Emma
schluckte und zwang sich, ruhig zu erscheinen. »Sie haben mit Steven eine Nacht
verbracht?« fragte sie.
Joellen
nickte triumphierend. »Es war sehr romantisch. Nur wir zwei unter seinem alten
Mantel. Wie Sie sich vorstellen können, war es da nicht zu vermeiden, daß wir
...« Sie brach ab und seufzte. »Aber leider ging dann doch noch alles schief.
Steven Fairfax ist ein Schuft, und von mir aus können Sie ihn haben.«
Emma war
sich nicht sicher, ob sie Joellens Geschichte glauben sollte, aber darüber
konnte sie später nachdenken. Zuerst mußte sie Steven finden und ihn vor seinem
Halbbruder warnen, der beabsichtigte, ihn nach New Orleans zurückzubringen,
tot oder lebendig. Alles andere war zweitrangig im Moment. »Danke«, sagte sie
und schlug die Richtung zum Mietstall ein.
»Warten
Sie!« rief Joellen ihr nach. »Sie haben mir nicht gesagt, was Sie hier machen.«
Doch Emma
würdigte sie keines Blickes mehr. »Auf Wiedersehen, Joellen.«
Die
Rancherstochter lief ihr nach. »Bitte bleiben Sie, Emma«, flehte sie ihre
Rivalin an. »Daddy kann erst in ein paar Tagen kommen, und in der Pension ist
es so langweilig ...« Emma schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Zeit, Ihnen
Gesellschaft zu leisten. Tut mir leid.«
»Ich habe
Sie belogen«, gestand Joellen plötzlich. »Steven hat mich nicht angerührt – er
hat mich gestern sogar verprügelt, mitten auf der Straße, vor allen Leuten!«
Emma
unterdrückte ein Lächeln und blieb stehen. »Was wollen Sie von mir?«
erkundigte sie sich kühl.
»Daß Sie
bleiben, bis Daddy kommt und mich abholt!« Zu ihrem Erstaunen fiel es Emma
schwer, Joellen etwas abzuschlagen.
Zwar war
sie eine ungezogene Göre, aber eben doch immer noch ein Kind, trotz ihrer schon
sehr weiblichen Figur. »Das kann ich nicht«, sagte Emma leise. »Es ist sehr
wichtig, daß ich weiterreite.«
Joellen
straffte die Schultern, schob ärgerlich die Unterlippe vor und wandte sich
beleidigt ab. In der Hoffnung, das Mädchen möge in der Pension in Sicherheit
sein, bis ihr Vater kam, ging Emma zum Mietstall weiter.
Smiley, die
kleine Pintostute, die Henry ihr gegeben hatte, war ausgeruht und bereit, die
Reise fortzusetzen. Nachdem Emma eine Tüte Äpfel gekauft hatte, Streichhölzer
und eine Decke, die
sie hinter ihrem Sattel befestigte, begab sie sich wieder auf die Spur der
Rinderherde.
Im Laufe
des Tages kam sie zügig voran, aber bei Sonnenuntergang war noch immer nichts
von dem Treck zu sehen, und Emma wappnete sich schon für eine weitere einsame
Nacht auf kaltem Boden, mit nichts als Äpfeln zum Abendessen, als sie in
westlicher Richtung Rauch aus einem Schornstein aufsteigen sah.
Zwanzig
Minuten später erreichte sie eine kleine Blockhütte mit einer geräumigen
Scheune, vor der Hühner gackerten. Zwei kleine Mädchen mit Pferdeschwänzen und
Kattunschürzen kamen aus dem Haus gerannt, um Emma zu begrüßen.
»Sind Sie
ein Mann oder eine Frau?« fragte das kleinere der beiden Mädchen, dem die Nase
lief und dessen Gesicht mit Sommersprossen und Schmutz bedeckt war.
»Sie ist
eine Frau, du Dummchen«, sagte das ältere Kind. »Siehst du nicht, daß sie einen
Zopf trägt?«
»Und wenn
sie eine Indianerin ...«
»Ich habe
noch nie eine rothaarige Indianerin gesehen, und du auch nicht!« fiel ihre
Schwester ihr streng ins Wort. Emma lächelte. »Mein Name ist Emma Chalmers.«
»Ich bin
Tessie«, stellte das größere Kind sich vor, »und das ist meine Schwester Sallie
Lee.«
Müde glitt
Emma aus dem Sattel. Bis jetzt hatte sie keinen Erwachsenen gesehen, und sie
begann sich zu fragen, ob die beiden kleinen Mädchen ganz allein sein mochten.
»Ist eure Mama zu Hause?«
»Wir haben
keine Mama«, sagte Tessie. »Nur einen Pa – aber er ist auf Kaninchenjagd.«
Emma wurde
unbehaglich zumute. »Wann kommt er zurück?«
»Wenn er
ein Kaninchen hat«, erwiderte Sallie Lee.
»Meint ihr,
ich könnte mein Pferd bei euch tränken?«
»Sicher«,
erwiderte Tessie großzügig. Es war klar, daß sie sich über die Gesellschaft
freute. »Hinter der Scheune ist ein Bach, und wir haben auch ein Klosett, falls
Sie es brauchen.«
Emma
lächelte. »Danke.« Sie nahm zwei Äpfel aus ihrer Satteltasche und reichte sie
den Mädchen.
Obwohl sie
nicht so wirkten, als ob sie Hunger
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