Emma und der Rebell
rannte zum Haus hinauf. Sobald sie sich umgezogen
hatte, eilte sie zum Büro des Marshals. Er war nicht da, aber Emma trat
trotzdem ein, um sich die Fahndungsmeldungen an der Wand anzusehen, die zum
größten Teil schon sehr alt und vergilbt waren. Butch Cassidy, Black Jack
Ketchum, Billy The Kid ... Aber nichts von Steven Fairfax, keine Zeichnung des
Gesichts, das ihr so lieb geworden war.
Aber selbst
das beruhigte Emma nicht, weil sie wußte, daß die Steckbriefe schon sehr alt
waren. Sie schaute aus dem Fenster, um zu sehen, ob sich jemand näherte, und
öffnete kühn die oberste Schublade von Marshal Woodridges Schreibtisch.
Dort fand
sie einen blauen Umschlag, an den Marshal von Whitneyville adressiert, den sie
wieder zurücklegte, und einen Stapel Fahndungsmeldungen. Obwohl sie alles
gründlich durchsah, konnte sie keinen Hinweis auf Steven entdecken.
Emma legte
alles zurück und schloß die Schublade. Steven war in ernsthafter Gefahr, und
sie mußte etwas tun, um ihm zu helfen. Aber was?
Kaum war
Macon Fairfax in
seinem Hotelzimmer, verschloß er die Tür und ließ sich auf das Bett fallen. Haß
und Bitterkeit verzehrten ihn. Steven hatte seinen Spaß gehabt mit dieser
schönen rothaarigen Frau, das hatte er in ihren Augen gesehen, und beim
Gedanken daran wurde Macon übel. Während Dirk und Mary in ihren Gräbern
vermoderten, lebte Cyrus Fairfax' Bastardenkel weiter und genoß solch zarte
Delikatessen wie Miss Emma Chalmers!
Macon
tröstete sich auf die gleiche Art wie immer – indem er sich vorstellte, wie
sein Halbbruder an einem Strick baumelte, das hübsche Gesicht blau und
aufgedunsen. Gott, wie sehr er Stevens Tod herbeisehnte!
Nach einem
tiefen Atemzug stand Macon auf. Er war jetzt in den Vierzigern und damit
eigentlich zu alt, um einem Verbrecher durch das halbe Land nachzujagen. Nein,
Sir, sein Platz war jetzt zu Hause, im Bett bei seiner Geliebten, oder notfalls
sogar bei Lucy, seiner Frau.
Er sehnte
sich nach einem Drink, und die kleine silberne Flasche in seiner Rocktasche war
leer ...
Kurz darauf
betrat Macon schon zum zweiten Mal an diesem Tag den Stardust Saloon. Bei
seinem ersten Besuch hatte er von einer gutmütigen Hure namens Callie Visco
etwas über Stevens Verbindung zu Emma Chalmers erfahren und ihr für diesen
zusätzlichen Service ein großzügiges Trinkgeld gegeben – nachdem sie ihn vorher
auf jede nur erdenkliche Weise befriedigt hatte.
An der Tür
schaute Macon sich suchend um und entdeckte einen großen blonden Mann, der vor
einer halbvollen Flasche Whiskey an einem Tisch am Fenster saß. Er wirkte wie
ein Dandy und es sah ganz so aus, als ob er sich in Selbstmitleid erginge. Aus
Erfahrung wußte Macon, daß Selbstmitleid gesprächig machte, deshalb ging er
entschlossen auf diesen Tisch zu und blieb lächelnd und mit ausgestreckter Hand
vor dem Dandy stehen. »Macon Fairfax«, stellte er sich höflich vor.
»Fairfax?«
Der Mann machte ein Gesicht, als hinterließe der Namen einen schlechten
Geschmack in seinem Mund, und Macon gratulierte sich insgeheim zu seinem Glück.
»Darf ich?«
fragte er und zog sich schon einen Stuhl heran.
»Klar«,
erwiderte der Trinker düster und füllte sein Glas von neuem. Zu seinem
eleganten Nadelstreifenanzug trug er eine Melone, das recht albern wirkte, vor
allem, als er den Hut tief in den Nacken schob.
»Ihr Name?«
»Fulton
Whitney.«
Macon
bestellte eine neue Flasche und legte eine Goldmünze auf den Tisch, damit
Whitney sah, daß er kein armer Mann war. »Sie machen einen unglücklichen
Eindruck, Mr. Whitney.«
Der Dandy
seufzte melodramatisch. Obwohl er schon ziemlich angetrunken wirkte, schenkte
er sich einen weiteren Whiskey ein und stürzte ihn in einem Zug herunter. »Sie
ist das hübscheste Ding im ganzen Ort, und ich habe sie verloren.«
Eine Dirne
in einem kurzen roten Kleid brachte Macons Whiskey und
ein Glas und zog schmollend ab, als er ihr keinerlei Beachtung schenkte. »Wer
ist sie?« fragte er.
Whitney
rülpste. »Sie können sie nicht kennen, wenn Sie hier fremd sind. Sie ist die
Bibliothekarin – Miss Emma Chalmers.« Dann hob er den Kopf und schaute Macon
aus blutunterlaufenen Augen an. »Sagten Sie, Ihr Name sei Fairfax?«
Macon
nickte. Also Emma, die freche kleine Rothaarige, von der Callie Visco ihm
erzählt hatte und der er zum See gefolgt war! Er lächelte bei der Erinnerung
daran, wie sie ihr Kleid ausgezogen hatte und ins Wasser gestiegen war. »Ja«,
antwortete er etwas verspätet. »Macon
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