Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Emmas Geheimnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Balfour
Vom Netzwerk:
Brian schlafen, er hatte mir gesagt, dass er erst am frühen Nachmittag einen Termin hatte. Wie so oft in den letzten Wochen hoffte er, endlich einen neuen Job zu finden. Für mich war es ein belangloser Tag, ich hatte im Büro wenig zu tun, traf mich nach der Arbeit mit Sophie auf einen Kaffee, fuhr nach Hause. Brian war nicht da, aber auch das war nicht ungewöhnlich. Vielleicht war er noch beim Sport oder bei Freunden. Er würde sich melden. Also machte ich mir etwas zu essen, schaltete den Fernseher an, surfte dabei im Internet und schlief ziemlich früh auf der Couch ein.
    Ein Klopfen weckte mich. Brian, dachte ich und sah auf die Uhr. Gleich eins. Wahrscheinlich war er im Pub gewesen und hatte den Schlüssel vergessen. Es wäre nicht das erste Mal. Es klopfte wieder, diesmal lauter und drängender. Ich sprang auf und eilte durch den Flur. »Ja, Brian, ich komm ja schon«, rief ich. Dann öffnete ich die Tür. Davor standen zwei Gardaí. Als ich die Uniformen sah, wusste ich sofort, dass etwas Schreckliches passiert war. Ich weiß noch, wie ich statt einer Begrüßung sagte: »O Gott, ihm ist etwas zugestoßen!« Und an ihren Blicken erkannte ich, dass ich recht hatte.
    Sie brachten mich zu ihm ins Krankenhaus, damit ich ihn identifizierte. Sie sagten, man hätte alles versucht, um ihn zu retten, aber es sei zu spät gewesen. Die regennasse Straße, die abgefahrenen Autoreifen, die Kurve in der Dunkelheit zu schnell genommen, und definitiv war zu viel Alkohol im Spiel gewesen.
    Ein einziger Gedanke schoss mir durch den Kopf: Warum habe nicht ich das Auto genommen? Warum bin ich mit dem Bus gefahren? Er würde bestimmt noch leben, wenn ich ihm nicht das Auto gelassen hätte. Ich wusste doch, dass er es nicht so genau nahm und nach drei, vier Gläsern Bier noch fuhr. »Ich kenn doch den Weg nach Hause«, hatte er immer gesagt, wenn ich ihm deshalb Vorwürfe machte. »Ich kenn den Weg zu dir.«
    Die Stunden bis zum Morgengrauen erlebte ich in einem Zustand, als würde ich durch dichten grauen Nebel irren. Als die Polizisten wiederkamen, teilten sie mir mit, dass Brian schwer alkoholisiert gewesen war. Er hatte in einem Pub in Blarney getrunken, allein, wie man ermittelt hatte. Niemand dort hatte gewusst, dass er mit dem Wagen unterwegs war, sonst hätte man ihm den Schlüssel abgenommen, wurde mir versichert. Nach wenigen Kilometern hatte er den Unfall gehabt.
    Was sie mir sagten, verwirrte mich noch mehr, denn es ergab überhaupt keinen Sinn. Ich war davon ausgegangen, dass er ein Vorstellungsgespräch in der Nähe des Flughafens gehabt hatte. Ich hatte damit gerechnet, dass er mit Freunden irgendwo in Cork etwas trinken ging. Aber Blarney? Ich verstand nicht, was er dort gemacht hatte.
    Ich kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Ich musste funktionieren. Familie und Freunde benachrichtigen. Die Beisetzung organisieren. Versicherungen informieren. Papiere unterschreiben. Natürlich hatte ich Menschen, die mir halfen. Aber den wichtigsten in meinem Leben hatte ich verloren. Während der ersten drei oder vier Wochen nach seinem Tod wachte ich jede Nacht mehrmals auf, weil meine Hand nach ihm suchte und ihn nicht fand.
    Die Bestattung war der schlimmste Moment für mich. Schlimmer noch, als die Nachricht von seinem Tod zu erhalten, schlimmer auch, als ihn identifizieren zu müssen und schreckliche Gewissheit zu erlangen, dass es wirklich Brian gewesen war, den man in der kalten Novembernacht aus dem Autowrack geborgen hatte. Stundenlang hatten seine Eltern auf mich eingeredet, um mich von der Seebestattung zu überzeugen, die er sich gewünscht hätte, wie sie mir versicherten. Ich konnte z unächst den Gedanken nicht ertragen, kein richtiges Grab zu haben, an dem ich um ihn trauern konnte.
    »Er hätte kein Grab gewollt«, sagte sein Vater, und ich konnte dem nichts entgegensetzen. Brian und ich hatten nie über den Tod gesprochen. Nie über unseren eigenen. Außer an dem Tag unseres Kennenlernens. Da hatte Brian mir gesagt, wie er in Erinnerung bleiben wollte. Genau diesen Wunsch konnte ich ihm aber nicht erfüllen, denn meine Gedanken schafften es nicht, zu einem der schönen Tage vorzudringen. Noch nicht.
    »H.G. Wells hatte eine Seebestattung«, erklärte mir mein Schwiegervater. Brians Lieblingsschriftsteller. Der Autor seines Lieblingsbuchs, das die Vorlage zu seinem Lieblingsfilm war: Die Zeitmaschine . Darüber hingegen hatten wir oft gesprochen. Von seinem Traum, durch die Zeiten reisen zu können.

Weitere Kostenlose Bücher