Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
liebevollem Spott zu mir.
Doch Ralph ging gar nicht darauf ein. Er war in Gedanken noch bei seinen Aufzeichnungen.
»Ein sehr guter Lehrer«, sagte er. »Ich hatte auch Unterricht bei ihm. Ein gut aussehender Typ noch dazu. Ich habe Fotos von ihm gefunden. Er war in Neuseeland auch an einer Schule. Hab dir alles ausgedruckt.« Ralph schlug die entsprechenden Seiten auf. Ich sah in ein fremdes Gesicht, in dem ich nichts von mir fand. Aber vielleicht würde sich das mit der Zeit ändern.
Sophie brachte mich zum Flughafen. Wir mussten lachen, als unterwegs im Radio Matts Coverversion von »There She Goes« ertönte. »Wenn das mal kein Zeichen ist«, sagte Sophie.
Wir begegneten Emma, die dort auf uns wartete. Offensichtlich wusste sie von meiner Abreise Bescheid.
»Man kann dich kaum übersehen in deinem schönen roten Mantel«, sagte sie und versuchte ein Lächeln.
Ich erwiderte nichts.
»Können wir kurz über Brian reden?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf und wollte gehen. Sie griff nach meinem Arm und hielt mich fest. »Bitte!«
Sophie nickte mir zu und verschwand in einem Zeitschriftenladen, damit wir ungestört reden konnten. Sofern man das mitten am Flughafen konnte.
»Was gibt es noch?«, fragte ich widerwillig.
»Die Nacht, in der er starb«, begann sie.
»Über die weißt du ja nun deutlich mehr als ich.«
»Ich meine, er hat Nein zu mir und dem Kind gesagt. Denkst du, er hätte …«
»Was? Es sich noch mal anders überlegt?« Ich schloss kurz die Augen. »Emma, ich weiß es nicht. Ich habe nicht mehr den Eindruck, ihn besonders gut gekannt zu haben. Jedenfalls nicht die letzten Monate.«
»Nein, Kate, bitte. Ich … Ach, ich weiß es auch nicht. Manchmal denke ich, dass er den Unfall absichtlich …«
»Unsinn. Er war betrunken und offensichtlich schlecht drauf. Daran ist keiner schuld. Du hast ihm nicht den Alkohol zu trinken gegeben, und du hast ihm auch nicht die Schlüssel in die Hand gedrückt und gesagt: Fahr los. Er war aus freien Stücken in einem Pub, bevor er nach Hause wollte.«
»Ja, er war auf dem Weg zu dir«, sagte sie.
»Wir werden nie erfahren, was er getan hätte, wenn er nicht gestorben wäre. Damit müssen wir wohl leben.«
Emma sah mich unglücklich an. »Wir hätten so gute Freundinnen sein können.«
Ich biss mir auf die Lippen. Es tat so weh, wie sie vor mir stand, so zerbrechlich und blass, mit großen sehnsüchtigen Augen. Endlich sagte ich: »Ich muss los, Emma. Und nein, ich glaube nicht, dass wir noch einmal wirkliche Freundinnen geworden wären. Wir haben viel zu unterschiedliche Leben gelebt. Pass auf dich auf. Und auf Kaelynn. Alles Gute.«
Ich riss mich los, suchte Sophie und ging mit ihr zum Check-in. Sie blieb bei mir, so lange sie konnte, und verabschiedete sich erst vor der Sicherheitskontrolle von mir.
»Ich besuch dich.«
»Unbedingt.«
»Wart’s ab, du wirst es noch als Drohung empfinden«, grinste sie.
» Retourkutsche dafür, dass ich wochenlang deine Wo hnung besetzt habe?«
»Ganz genau.«
Wir umarmten uns. Dann ging ich durch die Kontrolle, und mein Herz pochte schnell und fest vor Aufregung. Drei Monate würde ich fort sein. Jedenfalls vorerst. Meine Zukunft war ungewiss, aber genau darauf freute ich mich bei aller Angst, die mitschwang. Was würde geschehen? Würde ich mich wohlfühlen? War es wirklich das Richtige, als Journalistin zu arbeiten? Würde ich überhaupt Fuß fassen und genug Geld für meinen Lebensunterhalt damit verdienen können, oder hatte ich nur Glück gehabt mit dem Artikel über Matts Vater, und er würde das Einzige bleiben, das ich verkaufte?
Es gab nur einen Weg, die Antworten zu finden. Ich musste einfach ausprobieren, was ich mir erträumt hatte. Ich musste vor allem: gehen.
Irland würde immer meine Heimat bleiben. Ich hatte Heimweh wie ein Schulkind, schon im Flieger, als ich aus dem Fenster sah und unter mir Kinsale und Charles Fort erkannte. Ich sah die schiefergrauen Wellen der Keltischen See, wo Brians Asche verstreut war, und musste daran denken, dass es vielleicht doch keinen Abschied für immer gab. Etwas blieb im Herzen zurück, besonders wenn man sich so sehr geliebt hatte. Ein Teil des anderen verschwand nie. Brian war immer noch bei mir, so wie Hannah und Margaret.
Aber ich war mit ihnen allen im Reinen, und mein Herz hatte genügend Platz für die neue Liebe zu Matt.
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