Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
während ich auf die Operation wartete. Ich hatte mich gegen die Hormonbehandlung und für die klassische Variante, den Eingriff unter Vollnarkose, entschieden. Es war eine aufregende Zeit voller widersprüchlicher Gefühle. Ich wohnte bei Sophie in ihrer winzigen Wohnung, weil ich Abstand von Kinsale brauchte. Doch gleichzeitig vermisste ich den Ort und auch Ralph und Mary. Wir sprachen viel miteinander, räumten aus, was noch zwischen uns stand, drehten uns immer wieder um meine Mutter und die schwere Zeit, die sie wegen ihrer Depressionen durchlebt hatte. Auf Corks Straßen achtete ich darauf, Emma möglichst nicht zu begegnen. Wenn es nötig war, rief Sophie bei ihr an. Ich brachte es einfach noch nicht über mich, ihr auch nur Hallo zu sagen. Aber ich besuchte Kaelynn fast jeden Tag – Sophie hatte feste Zeiten für mich vereinbart, damit ich nicht auf Emma traf. Mit Matt telefonierte ich täglich mindestens eine Stunde. Wir hatten uns so vieles zu erzählen und wurden nicht müde, die Stimme des anderen zu hören. Er wollte zurückkommen, um für die Operation bei mir zu sein, aber ich hielt ihn davon ab.
Einen Monat dauerte es, dann war es für Kaelynn und mich so weit. Alles verlief ohne Komplikationen. Ich brauchte eine gute Woche, bis es mir wieder gut ging. Zwar bereiteten mir die Eisentabletten Übelkeit, und ich fühlte mich noch etwas schwach und müde, aber meine Blutwerte waren wieder in einem guten Bereich.
Kaelynn schien die Transfusion gut zu vertragen, musste aber noch eine Weile isoliert bleiben, da ihr Immunsystem noch nicht richtig funktionierte. Ich fragte mich, wie so ein winziger Körper so viel aushalten konnte. Kaelynn war auch der Grund, warum ich noch nicht abgereist war, obwohl bei mir gesundheitlich nichts mehr dagegen sprach.
Nun saß ich mit Sophie auf der Couch, ihr Laptop stand auf dem Tisch, und Matt war über Skype zugeschaltet. Ich winkte dem so vertraut und doch noch fremd wirkenden Gesicht auf dem Monitor zu, und er winkte zurück. Sophie hob das Glas und prostete dem Laptop zu. »Auf den edlen Ideenspender«, rief sie, und Matt prostete lachend mit einer Tasse Kaffee zurück.
Ich saß bereits an anderen Artikeln – Irlandthemen, die sich mir aufdrängten, wie die Fischer vor unseren Küsten, die wegen neuer EU-Gesetze so vieles von ihrem Fang wieder über Bord kippen mussten, die auf Bürokraten hören sollten statt auf die Welt, in der sie lebten. Ich hatte ein gutes Gefühl. Das Schreiben machte mir großen Spaß, die Recherche der Themen noch viel mehr. Ich schickte, wenn ich die Redaktionen zum ersten Mal kontaktierte, meinen Lebenslauf und Kopien einiger alter Artikel. Dass Sophie jeden einzelnen aufgehoben hatte, war ein großes Glück, da sich meine Unterlagen wohl in irgendeiner eingelagerten Kiste befanden. Auf New York freute ich mich nun nicht nur wegen Matt, sondern weil ich wusste, dass ich dort mehr Themen finden würde, als ich abdecken könnte. Mein Herzenswunsch war es, die sogenannten Tunnelmenschen zu interviewen, die in den stillgelegten U-Bahn-Schächten lebten und eine eigene Stadt gegründet hatten – so sagten es jedenfalls die Gerüchte.
» Auf die zukünftige Pulitzer-Preisträgerin!«, sagte Matt . Sophie johlte, und ich lachte vergnügt. Es war ein wunderbarer Tag. Eine wundervolle Nachricht. Matt fehlte, ein Videotelefonat konnte seine Nähe nicht ersetzen, aber ich wusste, dass ich ihn bald sehen würde.
Auch diesmal hatte ich mir etwas Eigenes gesucht – ich wollte nicht bei Matt wohnen. Ich war in ihn verliebt, aber meine Selbstständigkeit musste ich mir wahren.
»Nach einer Woche, wenn ihr merkt, dass ihr ohnehin rund um die Uhr aufeinanderhockt, hast du sowieso deine Zahnbürste bei ihm stehen, glaub mir«, sagte Sophie zu diesem Thema. Vielleicht hatte sie recht.
Vier Wochen nach der Operation war abzusehen, dass es Kaelynn definitiv gut ging. Sie zeigte so gut wie keine Abstoßungsreaktionen, und die Ärzte waren sehr zuversichtlich, dass sie ganz gesund werden würde. Als meine Abreise feststand, gab es diesmal kein großes Fest. Ich saß mit Sophie und ihren Eltern zusammen. Wir hatten uns nicht in Kinsale getroffen, sie waren zu uns nach Cork gekommen. Ralph überraschte mich mit einem ganz besonderen Geschenk: Er hatte alles, was er über meinen Vater wusste, zusammengetragen und aufgeschrieben. Auch über meine Mutter hatte er geschrieben.
»Jetzt weißt du, woher das Schreibtalent in der Familie kommt«, sagte Mary mit
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