Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
Vom Netzwerk:
entwickeln.
    »Das zeigt doch, dass du ihr sehr viel bedeutet haben musst. Jedenfalls wesentlich mehr als nur das Mädchen von nebenan, mit dem man fortwährend in einem sonderbaren Wettstreit steht. Vielleicht warst du wirklich für sie ihre beste Freundin, was meinst du?«
    Ich räuspere mich.
    »Wenn das so sein sollte, dann kann ich nur sagen, dass sie da eine völlig falsche Wahrnehmung gehabt haben muss. Unsere Geschichte war nicht eine von diesen gewissen Geschichten, weißt du. Diese Geschichten wahrer, großer Freundschaft, die damit beginnen, dass eines der Mädchen wenigstens ein Elternteil bei einem Autounfall verliert, während wenigstens ein Elternteil des anderen Mädchens schwerer Alkoholiker ist. Die Kinder sind verwahrlost und ohne Wurzeln und Halt. Sie stromern gemeinsam durch die Gegend, werden zu Hause eh nicht vermisst und stellen miteinander jede Menge illegaler Dinge an, wie Kaugummiautomaten demolieren und ausräumen, Autos aufbrechen, Handtaschen klauen und so weiter. Natürlich sind immer recht früh Zigaretten, Alkohol und Drogen im Spiel. Niemand kümmert sich wirklich um diese Mädchen, außer vielleicht eine einzige engagierte Lehrerin, die vom restlichen Kollegium deswegen schon mitleidig belächelt wird. Denn selbstverständlich sind alle der Meinung, dass bei den beiden sowieso Hopfen und Malz verloren ist. Aber schließlich und endlich ziehen sich eben diese Kinder, als sie älter und reifer werden, quasi am eigenen Schopf aus dem Sumpf ihrer Herkunftsfamilien und werden erfolgreich, glücklich, auf alle Fälle aber bleiben sie sich gegenseitig immer treu ergeben. Nein, so eine Geschichte haben wir nicht zu bieten. Wir hatten beide völlig normale Familien. Unsere Eltern waren nicht von der Art, mit der man später – wenn man selbst längst erwachsen ist – so gut wie jeden Schwachsinn rechtfertigen kann, den man so anstellt. Verstehst du, wir waren ganz normal. Und sie ging mir einfach auf die Nerven!«
    Den letzten Satz habe ich bestimmt ein kleines bisschen zu laut gesagt.
    Ich weiß gar nicht, wieso ich mich so aufrege.
    Es ist Sonntagmorgen. Ich habe ausgeschlafen, ein schönes Frühstück zu mir genommen, habe Besuch von einer reizenden Frau bekommen und ein bisschen mit ihr geplaudert.
    Es besteht kein Grund, laut zu werden.
    Frauke scheint meinen kleinen Ausrutscher gar nicht wahrgenommen zu haben.
    Sie sieht auf den Tisch und spielt dabei mit der Hundeleine, die sie in der Hand hält.
    »Das ist deine Vorstellung von großer, wahrer Freundschaft?«, sagt sie mit einer winzigen Spur Verwunderung in ihrer Stimme.
    Ich hole tief Luft, um der Frau, die mir wirklich am Herzen liegt, zu erläutern, was genau Freundschaft für mich bedeutet.
    Ich komme nicht mal bis zum ersten Wort, da Frauke sich plötzlich mit höchst interessiertem Blick über den Tisch beugt.
    »Hey, wow! Du antwortest auf eine Kontaktanzeige?«
    Leider kann ich nicht rasch genug zur Zeitung greifen. Frauke hat bereits die angestrichenen Zeilen überflogen.
    Vielleicht sollte ich froh sein, dass wir vom leidigen Thema Lu und wahre Freundschaft abgelenkt werden.
    Jetzt, wo eh nichts mehr zu retten ist, ist es wohl das Beste, selbstbewusst dazu zu stehen.
    »Ist doch was anderes als Chatten, oder?«, sage ich möglichst keck.
    Frauke lacht laut auf, und ich stimme mit ein.
    Zwischen uns ist es ganz wichtig, laut und fröhlich zu lachen, wann immer eine von uns einen Witz übers Chatten macht.
    »Wenn das eine von der Fakultät ist, dann würde sie bestimmt gut zu dir passen. Dass sie ihre Anzeige in die Zeitung setzt und nicht ins Netz, bedeutet, dass sie quasi von der alten Schule ist. Sie legt bestimmt Wert auf den richtigen Umgangston und Tischmanieren und so. Da gehst du auf Nummer Sicher, dass sie kein Hippischicki ist.«
    »Wie kommst du darauf?«, will ich wissen und beschließe, lieber nicht nachzufragen, was ein Hippischicki ist.
    »Das hat Michelin gesagt«, erklärt Frauke und damit ist jeder möglichen Diskussion zu dieser Frage die Grundlage entzogen.
    Denn Michelin, die – wenn man es an ihrem aufdringlich offen zur Schau getragenen Wissen über die Szene beurteilt – bereits über eine etwas mehr als 300 Jahre umfassende lesbische Erfahrung verfügt, ist für Frauke nun einmal die absolute Nummer eins, was das Know-how des Lesbenlebens angeht. Ich mag Fraukes Arbeitskollegin, aber in diesem Punkt ist sie leider etwas anstrengend.
    »Na, dann kann ich ja gespannt sein«, murmele ich ohne

Weitere Kostenlose Bücher