Emmas Story
jegliche Gegenwehr.
»Bestimmt ist es gut, wenn du kurz und knapp auf die Anzeige antwortest. Ich wette, die Verfasserin möchte lieber persönlich etwas über dich erfahren. Ich würde dir also raten, keinen langen Brief zu schreiben, sondern lieber direkt ein Treffen vorzuschlagen. Aber das ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung.« Frauke grinst.
Loulou steht gähnend auf, reckt sich und trabt auf ihren langen Beinen zur Tür.
Sie ist, wie Michelin einmal behauptet hat, tatsächlich ein Indikator dafür, ob Frauke aufbrechen will oder nicht. Loulou würde sich nicht erheben, wenn es nicht wirklich notwendig wäre.
Also begleite ich Frauke zur Tür.
Ich verkneife mir die Frage, was sie heute vorhat und wo sie jetzt hingeht.
Ich weiß, dass sie morgens nur bei mir vorbeikommt, wenn sie vorhat, die Langschläferin Antonie mit einem Frühstück zu überraschen. Aber daran denke ich nicht gern.
Zur Verabschiedung müssen wir uns wieder umarmen. Das ist so, wenn zwei befreundet sind.
Frauke streckt ihre Arme aus, und ich lege meine kurz um ihren schlanken Körper.
Wir drücken uns nicht wirklich. Wir halten uns auch nicht wirklich fest. Es ist wie immer die schlechte Imitation einer Umarmung zwischen Freundinnen.
Doch wir genügen damit dem Schein und der Beteuerung, dass wir füreinander nichts anderes mehr empfinden als ausschließlich freundschaftliche Gefühle.
Jedes Mal klopft mein Herz noch Minuten danach einen wilden, hektischen Takt, der mich ein bisschen atemlos macht.
Obwohl sie schon längst gegangen ist, stehe ich noch an der Wohnungstür und starre auf die Klinke.
Das Leben hat für mich ein paar ziemlich miese Gigs parat. Gut, dass es so viele schöne, geschmackvoll eingerichtete oder einfach interessant gestaltete Wohnungen zu besichtigen gibt. Das macht alles erträglicher.
Ich schlendere in die Küche zurück und stelle mir vor, ich hätte auch einen Hund. Dann könnte ich ihm jetzt erzählen, was mir durch den Kopf purzelt. Dass ich Frauke zum ersten Mal von meiner Jugendzeit erzählt habe. Dass sie wunderschön aussah, viel schöner als ich je aussehen könnte – egal wie perfekt mein Gesicht auch sein mag. Dass ich Antonie auf den Mond wünsche, obwohl ich selbst dann nicht sicher wäre, ob Frauke mich wählen würde. Dass ich nicht gern an das Telefonat denke, das ich morgen führen muss: bei Frau Beckmann die Wohnung im gelben Haus mit dem großen Garten absagen.
An dieser Stelle würde mein Hund mich entrüstet anschauen und mir mit einer Pfote einen Vogel zeigen – falls ich es ihm beigebracht hätte. Denn ein großer eingezäunter Garten muss doch der Hundetraum schlechthin sein. Natürlich wüsste mein Hund auch von diesem Gefühl, das mich gestern plötzlich beschlichen hat. Diesem Gefühl, dass ich einen Betrug begehe, indem ich mich von Menschen in ihre Wohnungen einladen lasse, darin herumspaziere, alles in Augenschein nehme, ohne wirklich einen Grund dafür zu haben. Außer dass ich es einfach gern mache.
Armin würde aufheulen, wenn ich ihm das sagen würde, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass das gelbe Haus etwas mit diesen neuen, sonderbaren Gedanken zu tun hat. Als hätte unser Besuch dort mich verändert. Oder als hätte er mir etwas gezeigt, dass ich bisher aus blankem Egoismus bei meinem schönen Hobby nicht wahrgenommen habe. Nicht wahrnehmen wollte.
Weil ich keinen Hund habe, werde ich davon besser niemandem erzählen.
Nachdenklich betrachte ich den Notizblock auf dem Küchentisch.
Dann nehme ich den Kuli zur Hand und schreibe: ›Bin dabei! Am kommenden Freitag. Neun Uhr abends. Im Yellow, Uhlandstraße, Cappuccinomaschine.‹
Das sollte reichen.
4. Kapitel
»Wohnst du noch? Oder lebst du schon? Individuell ausgebautes Appartement über Garagenhof (frei schwebende Treppe, verrückte Einbauregale, Empore fürs Bett) freut sich auf Nachmieter/in.«
Z ieh was Blaues an!«, hatte Armin gesagt. »Das bringt deine Augenfarbe so gut raus. Damit hast du schon die halbe Miete im Kasten!«
Männer! Für die ist die halbe Miete die Gewissheit, dass sie mindestens bei der zweiten Verabredung mit dem zu erobernden Objekt in der Kiste landen.
Das ist der große Unterschied zu uns Frauen. Wir neigen ja eher dazu, wochenlang umeinander herumzuschleichen und besagte Kiste bestenfalls am Telefon zu diskutieren.
Da es mir aber nicht um irgendwelche Kisten geht, brauche ich mir im Grunde keine Gedanken um die halbe oder ganze Miete, den ersten Eindruck
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