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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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verschlechtert sich beinahe im Sekundentakt.
    So blöd bin ich mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen.
    Ganz kurz blitzt ein Gedanke auf.
    Heiß durchfährt mich die Erinnerung an die erste geplante Verabredung mit Frauke. Wir kannten uns aus dem Chat, und ich fand ihre Art, über den Bildschirm zu kommunizieren, einfach bezaubernd. Aus lauter Nervosität war ich zu früh am Treffpunkt, setzte mich in ein Café nebenan. Dort konnte ich zusehen, wie sie – nur etwas später als ich selbst, also auch viel zu früh – zum Treffpunkt kam. Und da war es plötzlich zu spät, und zwar viel zu spät. Vom ersten Moment an.
    Die aufziehenden Bilder schüttele ich mit einer Kopfbewegung fort. Das kann ich jetzt gerade nun wirklich nicht gebrauchen. Bloß an etwas anderes denken!
    Aber das Erste, das mir in den Sinn kommt, ist auch nicht geeignet, meine Stimmung zu heben: Ich habe die ganze Woche über nicht bei Frau Beckmann angerufen.
    Natürlich hätte ich das tun sollen.
    Ich hätte anrufen sollen, um ihr freundlich und höflich zu sagen, dass Armin und ich es uns überlegt und doch kein Interesse an der Wohnung im gelben Haus mit dem großen, wilden Garten haben.
    Hab ich nicht getan.
    Einen Grund dafür kann ich nicht einmal sagen. Ich weiß nur, dass ich den Gedanken unangenehm finde, dass sie auf diesen Anruf hin eine andere Nummer wählen wird und dem Menschen, der sich meldet, mitteilt, dass er in zwei Monaten in genau diese Wohnung in genau diesem Haus mit genau diesem Garten einziehen kann.
    Armin war jedenfalls pflichtbewusster. Er hat seine Absage bei der Männer- WG längst hinter sich gebracht. Allerdings war er sehr kurz angebunden, als er von dem Telefonat mit Daniel erzählte. Vielleicht sind ihm auch Zweifel an diesem Teil unseres gemeinsamen Hobbys gekommen?
    »N’ Abend, Emma, kann ich dir was bringen?«
    Ich fahre zusammen und schaue auf.
    Hinter der Theke steht Natascha und sieht mich neugierig an.
    Na, toll! Ausgerechnet heute muss die Chefin persönlich hinterm Tresen stehen.
    Ich knicke in der Hüfte ein und lege den Kopf schief. So sehe ich aus, als könnte ich kein Wässerchen trüben, und wirke bestimmt nicht, als würde ich auf ein Blind Date warten.
    »Wie wäre es mit einem Cocktail. Irgendwas mit klebrigem Fruchtsaft, einem winzigen Schuss Alkohol, Sahne und Sonnenschirmchen?«, fantasiere ich.
    »Darf es vielleicht ein Orgasmus sein?«, schlägt Natascha mit einem kurzen Blinzeln vor.
    Mein Mundwinkel zuckt.
    Ich werde mich an die Namen der Mix-Getränke in diesem Laden nie gewöhnen.
    »Meinetwegen. Solange er keine Nebenwirkungen zeigt.«
    Sie lacht und schiebt ab.
    Von einem Tisch in der Nähe starren drei kurzhaarige Frauen feindselig herüber.
    Vermutlich ist mindestens eine von ihnen in Natascha verknallt. Das kommt alle naselang vor. Die Neuzugänge hier erliegen regelmäßig Nataschas charismatischem Auftreten in Kombination mit angenehmem Äußeren und ihrem Bekanntheitsgrad in der Szene. Letzterer ist enorm groß und hat mich eigentlich nie sonderlich interessiert. Jetzt, in diesem Augenblick, beginnt jedoch genau das, mir spontan Sorgen zu bereiten.
    Denn eins ist ja wohl klar: Sollte Natascha mitbekommen, dass ich hier nicht einfach blöd rumstehe, sondern auf eine unbekannte Piratin warte, wird die Szene in beängstigend kurzer Zeit einiges zu beratschen haben.
    Schön zu sein bedeutet nämlich leider auch bekannt zu sein.
    Bei dem Gedanken an Gerüchte, die über gewisse, attraktive, Sie-sucht-sie-Anzeigen-beantwortende Doktorandinnen in Umlauf geraten könnten, bekomme ich reflexartig feuchte Handflächen. Die Speisekarte entgleitet mir und segelt auf den gefliesten Boden. Ich gehe in die Knie, um sie aufzuheben. Doch das blöde Ding rutscht über ein paar Meter Fliesen und bleibt erst im Gang zur Eingangstür endlich liegen.
    Als ich die Karte in gebückter Haltung erreiche und nach ihr fingern will, stelle ich fest, dass direkt neben der Karte ein Paar helle Turnschuhe stehen.
    In den Schuhen stecken zwei schlanke, braune Fesseln, die sich nach oben etwas verbreitern und in einer Jeans verschwinden. Ich sehe an den beiden Jeansbeinen hinauf und mitten in ein Gesicht, das ich hier im Yellow am allerwenigsten erwartet hätte.
    »Emma?«, grunzt Lu verblüfft und stiert mich an.
    Fassungslos starre ich aus der Froschperspektive zu ihr hinauf und kann förmlich spüren, wie mein Unterkiefer sich langsam vom Oberkiefer löst und herabsinkt. Die Speisekarte entgleitet

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