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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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unbehauenem Felsgestein. Neonstreifen fliegen über sie hinweg, weiße Straßenmarkierungen halten Schritt mit ihnen. ACHTUNG STEINSCHLAG warnt ein Schild. Schlaglöcher, Rinnsale von braunem Wasser, eine Eisentür, die Gott weiß wohin führt. Ist Punter hier auch schon durchgefahren? Lauert er mit einem seiner zwanzig Manpads hinter einer Tür? Punter ist nicht einfach nur ein großer Fang, Paul. Um mit Mr. Jay Crispin zu sprechen: Punter ist ein Sechser im Lotto – O-Ton Elliot.
    Zwischen Säulen hindurch, die ihm wie das Tor zu einer anderen Welt vorkommen, entlässt der Berg sie aus seinem Innern, auf eine Straße, die in den Hang geschnitten ist. Windstöße rütteln an der Karosserie, ein Halbmond ist am oberen Rand der Windschutzscheibe erschienen, und der Toyota rumpelt über das Bankett an der Beifahrerseite. Unter ihnen die Lichtpünktchen von Ufersiedlungen. Dahinter die pechschwarzen Berge Spaniens. Und draußen auf dem Wasser wieder die regungslose Armada von Frachtern.
    »Nur noch Standlicht«, ordnete Kirsty an.
    Hansi schaltete die Frontscheinwerfer ab.
    »Motor aus.«
    Sie rollten zum diskreten Grummeln von Reifen auf bröckelndem Asphalt. Vor ihnen blinkte ein stecknadelkopfgroßes rotes Licht auf, zweimal, dann ein drittes Mal, näher.
    »Hier.«
    Sie blieben stehen. Kirsty stemmte die Fondtür auf, und kalter Wind fuhr herein, zusammen mit einem stetigen Motorendröhnen vom Meer her. Auf der anderen Talseite wallte mondbeschienenes Gewölk aus den Schluchten empor, wälzte sich wie Pulverdampf den Grat entlang. Ein Auto schoss aus dem Tunnel hinter ihnen, strich mit seinen Lichtfingern den Hang ab und hinterließ nur noch tieferes Dunkel.
    »Paul, Ihr Freund ist da.«
    Wo? Er rutschte zur offenen Tür hinüber, und sofort beugte Kirsty auf dem Vordersitz sich vor und zog ihre Rückenlehne mit sich, als könnte sie es nicht erwarten, ihn loszuwerden. Er begann, sich auf den Boden hinunterzulassen, und hörte das Kreischen schlafloser Möwen, Grillenzirpen. Aus der Finsternis streckten sich ihm zwei behandschuhte Hände entgegen. Dahinter kauerte der kleine Jeb mit zurückgeschobener Sturmhaube, aus der sein schwarz gesprenkeltes Gesicht glänzte, und einer um die Stirn geschnallten Lampe, die ihm etwas Zyklopenhaftes gab.
    »Freut mich, Sie wiederzusehen, Paul. Da, probieren Sie die mal auf«, sagte er in seinem Waliser Singsang.
    »Und mich erst, Jeb, ganz ehrlich«, antwortete er ungestüm, indem er die Nachtsichtbrille nahm, die Jeb ihm hinhielt, und dafür seine Hand ergriff. Es war der Jeb, an den er sich erinnerte: ruhig, drahtig, ganz und gar sein eigener Herr.
    »Hotel in Ordnung, Paul?«
    »Der reinste Alptraum. Und Ihrs?«
    »Kommen Sie mit und schauen Sie sich’s an. Vier Sterne. Treten Sie dahin, wo ich auch hintrete. Alles schön mit der Ruhe. Und wenn ein Stein runterkommt, ducken.«
    War das ein Scherz? Er grinste sicherheitshalber. Der Toyota holperte schon wieder den Hang hinab, Auftrag erledigt. Er setzte die Brille auf, und die Welt wurde grün. Vereinzelte Regentropfen, die der Wind herantrug, zerschellten vor seinen Augen wie Insekten. Jeb stapfte vor ihm bergauf, dem Strahl seiner Stirnlampe nach. Der einzige Pfad war der, den Jebs Füße vorgaben. Wie damals mit meinem Vater im Moor, drei Meter hohes Ginstergebüsch nach allen Seiten, nur dass an diesem Hang kein Ginster wuchs, dafür zählebige Büschel Silbergras, das ihm an den Knöcheln zerrte. Manche Männer führt man, und manchen folgt man, hatte sein Vater, ein General a.D., gern gesagt. Jeb war einer der Männer, denen man folgte.
    Der Boden wurde ebener. Der Wind flaute ab, frischte wieder auf, und gleich darauf stieg auch das Gelände erneut an. Über ihnen knatterte ein Hubschrauber. Mr. Crispin wird die ganze Palette auffahren , verkündet ihm Elliot, Unternehmerstolz in der Stimme. Im besten amerikanischen Stil. Nicht dass Ihnen das viel sagen wird, Paul. Aber modernste Ausrüstung wird für alle Standard sein, sogar eine Predator zu Beobachtungszwecken dürfte das Budget keineswegs sprengen.
    Der Aufstieg steiler jetzt, unter ihren Füßen teils Geröll, teils angewehter Sand. Einmal stolperte er über etwas Stählernes, einen Haken, einen Notanker. Und einmal – aber Jebs Hand wies vorsorglich darauf – wollte ein metallenes Steinschlagnetz überklettert sein.
    »Hübsche kleine Wanderung, was, Paul? Und die Eidechsen in Gibraltar beißen auch nicht. Skinks heißen die hier, fragen Sie mich nicht, warum.

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