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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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Sie haben auch Familie daheim, oder?« – und auf das spontane Ja hin, das er zur Antwort bekam: »Wer wartet daheim auf Sie, Paul? Nichts für ungut.«
    »Meine Frau. Meine Tochter«, erwiderte er außer Atem. »Meine Tochter ist Ärztin« – verflixt, jetzt hatte er völlig vergessen, dass er Paul der Junggeselle war, aber zum Teufel damit … »Und bei Ihnen, Jeb?«
    »Meine Frau und mein Sohn. Fünf wird er nächste Woche. Ein Pfundskerl – wie Ihr Mädel sicher auch.«
    Aus dem Tunnel hinter ihnen kam ein Auto. Er wollte sich hinwerfen, aber Jeb hielt ihn mit so eisernem Griff aufrecht, dass er aufkeuchte.
    »Niemand entdeckt uns, solange wir uns nicht bewegen«, erklärte Jeb, auch jetzt in seinem gemächlichen walisischen Tonfall. »Wir haben noch hundert Meter vor uns, ziemlich steile ab hier, aber das packen Sie schon. Dann noch quer über den Hang, und wir sind da. Es sind nur die drei Jungs und ich« – als könnte er sich damit wie zu Hause fühlen.
    O ja, es war steil, Dickichte und rutschender Sand, dann ein zweites Netz zum Überklettern, und Jebs Hand in Bereitschaft, falls er stolperte, aber er stolperte nicht. Und dann waren sie plötzlich angekommen. Drei Männer im Kampfanzug und mit Headsets, einer davon deutlich größer als der Rest, hockten auf einer Plane, Alubecher in der Hand, den Blick auf Computerbildschirme gerichtet, als liefe darin ein samstagnachmittägliches Fußballspiel.
    Der Unterschlupf war in das Stahlgestänge eines Steinschlagnetzes gebaut. Verfilzte Zweige und Gestrüpp bildeten die Wände. Ohne Jeb wäre er wahrscheinlich selbst aus nächster Nähe daran vorbeigelaufen. Die Monitore waren tief in Rohrummantelungen versenkt. Man musste gezielt in die Röhren hineinschauen, um sie zu erkennen. Durch das Flechtwerk des Daches blinkten ein paar dunstige Sterne. Verirrte Mondstrahlen schienen auf Waffen, wie er sie im Leben noch nicht gesehen hatte. An einer der Wände warteten vier gepackte Tornister.
    »Also, Jungs, das ist Paul. Unser Mann vom Ministerium«, sagte Jeb über das Windesrauschen hinweg.
    Einer nach dem anderen drehten die Männer sich um, zogen einen Lederhandschuh aus, drückten ihm die Hand eine Spur zu kräftig und stellten sich vor.
    »Don. Willkommen im Ritz, Paul.«
    »Andy.«
    »Shorty. Hallo, Paul. Den Aufstieg gut überstanden?«
    Shorty, weil er einen Kopf größer ist als die anderen: vollkommen logisch. Jeb reichte ihm einen Becher Tee mit gesüßter Kondensmilch. In der Wand war eine waagrechte, mit Zweigen getarnte Schießscharte. Die Computerröhren waren ein Stück darunter angebracht, so dass der Blick den Berg hinunter auf die Küstenlinie und das Meer frei blieb. Zu seiner Linken erhoben sich wieder die spanischen Berge, höher jetzt, näher. Jeb dirigierte ihn zu dem linken Bildschirm, der einen steten Wechsel von Bildern aus versteckten Kameras zeigte – den Yachthafen, das Chinarestaurant, die lichtergeschmückte Rosemaria . Jetzt, durch eine wackelnde Handkamera, eine Innenaufnahme des Restaurants. Die Kamera auf Bodenhöhe. Am Kopfende einer langen Tafel vor der Fensterbucht ein dicker Mittfünfziger mit Seemannsjacke und perfekter Frisur, der herrisch gestikulierend auf seine Tischgenossen einredete. Rechts von ihm eine schmollende Brünette, höchstens halb so alt wie er. Nackte Schultern, ein üppiger Busen, Diamantkollier, herabgezogene Mundwinkel.
    »Der gute Aladin scheint ein bisschen cholerisch zu sein, Paul«, ließ Shorty ihn wissen. »Erst hat er auf Englisch den Oberkellner zur Sau gemacht, weil kein Hummer da war. Jetzt kriegt seine Freundin eine Abreibung auf Arabisch, und das, wo er Pole ist. Wundert mich eigentlich, dass er ihr keine aufs Ohr gibt, so wie sie’s treibt. Fast wie zu Hause, was, Jeb?«
    »Kommen Sie kurz hier rüber, Paul?«
    Jeb hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt. Er machte einen großen Seitwärtsschritt vor den mittleren Bildschirm. Hier wechselten Luft- und Bodenaufnahmen. Verdankten sie die der Predator, die Mr. Crispins Budget keineswegs sprengte? Oder eher dem Hubschrauber, den er in den Lüften tuckern hörte? Eine Reihe weißer Häuser, nach der Wetterseite hin holzverschalt, an der Kante des Steilufers. Zwischen den Häusern Steintreppen zum Strand hinab. Die Treppen mündeten auf einen dürftigen Halbmond aus Sand. Ein Kieselstrand, umschlossen von einem zerklüfteten Kliff. Orangefarbene Straßenlaternen. Ein Schotterweg führte hinauf zur Küstenstraße. Keine Lichter in den

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