Empfindliche Wahrheit (German Edition)
auf dem Land mit einschließt. Wir wollen unser derzeitiges Haus verkaufen, solange der Markt noch hält, und bis zum Umzug den Gürtel etwas enger schnallen.«
»Elliot wird sagen, dass er Ihr Haus in Harrow kaufen will. Von Ethical et cetera wird er nichts sagen. Er hat die Anzeige beim Makler im Fenster gesehen oder weiß Gott wo, hat sich das Haus von außen angeschaut, findet es geeignet, aber es gibt ein paar Punkte, über die er noch reden will. Er wird Ihnen einen Treffpunkt und eine Zeit nennen. Sie willigen in alles ein, was er vorschlägt. So arbeiten diese Leute. Sonst noch Fragen?«
Hat er bisher eine gestellt?
»Bis dahin machen Sie einfach Ihren Stiefel. Kein Wort zu irgendwem. Nicht hier im Büro, nicht daheim. Ist das klar?«
Nein. Nichts ist klar. Schon gar nicht, wie er nach seinem inbrünstigen, verdatterten »Ja« zu der ganzen Sache und dem anschließenden Stärkungsgläschen in seinem Club in Pall Mall eigentlich nach Hause gekommen ist.
***
Über seinen Computer gebeugt, während Frau und Tochter nebenan munter schwatzen, gibt der angehende Paul Anderson »Ethical Outcomes« ein. Meinten Sie: Ethical Outcomes Incorporated, Houston, Texas? In Ermangelung sonstiger Informationen bestätigt er.
Mit einem brandneuen internationalen Team höchstqualifizierter geopolitischer Experten bietet Ethical innovative, hochdifferenzierte, topaktuelle Risikoanalysen für Großkonzerne und staatliche Stellen. Wir von Ethical sind stolz auf unsere Integrität, unser Verantwortungsbewusstsein und ultramodernes Cyber-Know-how. Personenschutz und Verhandlungshilfe bei Geiselnahmen auch kurzfristig verfügbar. Ihre persönlichen und vertraulichen Anfragen richten Sie bitte an Marlon.
Dazu E-Mail-Adresse und ein Postfach, ebenfalls in Houston, Texas. Kostenfreie Telefonnummer für die persönlichen und vertraulichen Anfragen an Marlon. Keine Namen, weder von Geschäftsführern, Vorstandsmitgliedern, Beratern noch von höchstqualifizierten geopolitischen Experten. Kein Elliot, Vor- oder Nachname. Das Mutterunternehmen von Ethical Outcomes nennt sich Spencer Hardy Holdings, ein multinationaler Konzern, dessen Betätigungsfelder von Öl über Weizen, Holz, Rindfleisch und Projektentwicklung bis hin zu gemeinnützigen Initiativen reichen. Dieselbe Muttergesellschaft finanziert außerdem evangelikale Stiftungen, Glaubensschulen und Bibelkampagnen.
Für weitere Informationen zu Ethical Outcomes geben Sie bitte Ihr Passwort ein. Da er kein Passwort besitzt und sich jetzt schon als Eindringling fühlt, bricht er seine Recherchen ab.
Eine Woche vergeht. Jeden Morgen beim Frühstück, den Tag über im Büro und abends nach dem Heimkommen macht er seinen Stiefel wie befohlen und wartet auf das folgenschwere Telefonat, das kommen oder auch nicht kommen wird oder dann kommen wird, wenn er am wenigsten damit rechnet; und genau das tut es eines frühen Morgens, während seine Frau ihren Medikamentenrausch ausschläft und er in Cordhose und Karohemd den Abwasch vom Vorabend besorgt und sich vornimmt, gleich nachher endlich dem Rasen zu Leibe zu rücken. Das Telefon klingelt, er meldet sich mit einem fröhlichen »Guten Morgen«, und es ist Elliot, der, wie könnte es anders sein, die Anzeige im Fenster des Maklers gesehen hat und ernsthaft an ihrem Haus interessiert ist.
Nur dass er wie Illiot klingt, nicht wie Elliot, dank dem südafrikanischen Akzent.
***
Gehört auch Elliot zu Ethical Outcomes’ brandneuem internationalem Team höchstqualifizierter geopolitischer Experten ? Möglich, wobei man es ihm nicht zwingend ansieht. Das kahle Büro, in dem sich die beiden Männer keine anderthalb Stunden später gegenübersitzen, liegt in einer schäbigen Seitenstraße in der Nähe von Paddington Street Gardens, und Elliot trägt zu seinem seriösen Sonntagsanzug eine gestreifte Krawatte mit einem Muster aus kleinen Fallschirmen. Kabbala-Ringe schmücken die drei dicksten Finger seiner manikürten Linken. Er hat einen glänzenden Schädel, olivfarbene Haut, ein pockennarbiges Gesicht und beängstigende Muskeln. Sein Blick, der in spielerischer Verstohlenheit seinen Gast abtastet, dann wieder weggleitet zu den fleckigen Wänden, ist farblos. Sein Englisch ist so gestelzt, dass man meinen könnte, es würde auf Akkuratesse und Aussprache benotet.
Jetzt nimmt er aus einer Schublade einen nahezu neuen britischen Pass, leckt sich über die Daumenkuppe und blättert ihn mit wichtiger Miene durch.
»Manila, Singapur, Dubai, das
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