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Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Empfindliche Wahrheit (German Edition)

Titel: Empfindliche Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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sind nur einige der Metropolen, in denen Sie Statistikerkongresse besucht haben. Verstehen Sie, Paul?«
    Paul versteht.
    »Falls ein neugieriger Sitznachbar im Flieger von Ihnen wissen will, was Sie nach Gibraltar führt, sagen Sie ihm, dass Sie zu einem Ihrer Kongresse unterwegs sind. Und dass er sich bitte schön um seinen eigenen Kram kümmern soll. Ein Standbein von Gibraltar sind Glücksspiele im Internet, die keineswegs alle ganz koscher sind. Da mögen es die Bosse nicht, wenn das Fußvolk zu viel redet. Ich muss Sie jetzt fragen, Paul, und antworten Sie bitte in aller Offenheit: Quälen Sie irgendwelche Bedenken hinsichtlich Ihrer Tarnung?«
    »Nun ja, in einer Hinsicht schon, wenn ich ehrlich sein soll, Elliot«, räumt er nach gebührendem Abwägen ein.
    »Sprechen Sie, Paul. Frei von der Leber weg.«
    »Ich finde einfach, wenn ich als Brite – und Diplomat, der recht viel herumgekommen ist – als ein anderer Brite in traditionell britisches Territorium einreise, ist das, na ja« – er sucht nach einem Wort – »etwas arg fragwürdig, ganz offen gestanden.«
    Elliots kleine kreisrunde Augen heften sich wieder auf ihn, starren ihn an, ohne zu blinzeln.
    »Ich meine, könnte ich nicht einfach als ich selbst fahren und das Risiko eingehen? Wir wissen beide, dass ich den Kopf einziehen muss. Aber sollte es dazu kommen, dass ich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch jemanden treffe, den ich kenne, beziehungsweise der mich kennt, dann könnte ich wenigstens der sein, der ich bin. Anstatt …«
    »Anstatt was, Paul?«
    »Anstatt mich für einen windigen Statistiker namens Paul Anderson auszugeben. Ich meine, wer soll so einen Schwachsinn schlucken, wenn er genau weiß, wer ich bin? Ich bitte Sie, Elliot« – er fühlt Hitze in sein Gesicht steigen und kann nichts dagegen tun –, »unsere Regierung hat einen riesigen Stützpunkt für die verbundenen Streitkräfte auf Gibraltar. Und dazu einen großen Diplomatenstab plus eine nicht zu kleine Abhörstation. Und ein Special-Forces-Trainingslager. Da muss doch nur einer auftauchen, den wir nicht auf der Rechnung hatten, und mich als seinen lang verlorenen Kumpel umarmen, und ich bin – ja, geliefert. Und was weiß ich denn schon über Statistik? Keinen blassen Schimmer habe ich. Nicht dass ich Ihre Kompetenzen anzweifeln will, Elliot. Und natürlich mache ich alles, was nötig ist. Ich frage einfach nur.«
    »Ist das die gesamte Summe Ihrer Bedenken, Paul?«, erkundigt sich Elliot fürsorglich.
    »Natürlich. Absolut. Das sollte nur ein Hinweis sein.« Den er schon wieder bedauert, aber wie zum Teufel wirft man die Logik einfach aus dem Fenster?
    Elliot leckt sich die Lippen, runzelt die Stirn und antwortet in seinem sorgsam getakteten Englisch wie folgt:
    »Tatsache ist, Paul: Niemand in Gibraltar wird auch nur einen feuchten Furz darum geben, wer Sie sind, solange Sie schön mit Ihrem britischen Pass wedeln und den Ball konsequent flach halten. Aber Tatsache ist auch: Es ist Ihr Kopf, der in der Schusslinie wäre, sollte es zum Worst-Case-Szenario kommen, eine Eventualität, die immer mitbedacht sein will. Einmal gesetzt den Fall, die Operation nimmt eine Wendung, die ihre Planer, darunter meine Wenigkeit, nicht einkalkuliert haben. Dann könnte die Frage nach einem Spitzel laut werden. Wer ist dieser komische Heilige Anderson, der sich Tag und Nacht mit einem Buch in seinem Hotelzimmer verkrochen hat?, könnten sie sich dann fragen. Wo finden wir diesen Anderson, in einer Kolonie, die gerade mal so groß wie ein Golfplatz ist? Wenn diese Situation einträte, wären Sie vermutlich heilfroh, nicht der Mensch gewesen zu sein, der Sie im wahren Leben sind. Jetzt zufrieden, Paul?«
    Zufrieden und glücklich, Elliot. Wunschlos. Komplett am Rudern, ohne ein Fitzelchen Orientierung, das jedoch aus vollem Herzen. Aber Elliot scheint ihm ein bisschen verschnupft dreinzuschauen, und um die detaillierten Instruktionen, die er von ihm erhalten soll, nicht zu gefährden, versucht er, gut Wetter bei ihm zu machen:
    »Und wie verschlägt es einen Mann mit Ihren Qualifikationen hierher, wenn die Frage nicht zu aufdringlich ist, Elliot?«
    Elliots Stimme wird noch einen Tick salbungsvoller:
    »Ich bin Ihnen sogar aufrichtig dankbar für die Frage, Paul. Ich bin Soldat; das ist mein Leben. Ich habe in großen und in kleinen Kriegen gekämpft, die meisten davon auf dem afrikanischen Kontinent. Während dieser Zeit hatte ich das Glück, einem Mann zu begegnen, dessen

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