Empfindliche Wahrheit (German Edition)
– in regelrecht beleidigtem Ton.
»Nun, es ist nicht an mir, das zu fragen, Herr Minister, aber wieso ich? Das Ministerium verfügt doch sicher über etliche Mitarbeiter mit der Art von Erfahrung, die Sie suchen.«
Volkstribun Fergus Quinn dreht sich zum Erkerfenster, das Kinn angriffslustig vorgereckt über der Fliege, so dass die Speckwülste in seinem Nacken den Kragen noch stärker einklemmen, und blickt hinab auf den Kies des Horse Guards Parade, den die Abendsonne vergoldet.
»Und wenn ich Ihnen außerdem sagen würde, dass Sie bis ans Ende aller Zeiten weder durch Wort noch Tat noch auf sonst einem Wege enthüllen dürfen, dass eine gewisse Antiterror-Operation auch nur angedacht war, von der Ausführung gar nicht erst zu reden« – unwirsch sucht er nach einem Weg aus dem Satzlabyrinth, in das er sich hineinmanövriert hat –, »würde Sie das an - oder ab törnen?«
»Herr Minister, wenn Sie mich für den richtigen Mann halten, stehe ich Ihnen zu Diensten, für welche Aufgabe auch immer. Und selbstverständlich können Sie sich meiner dauerhaften und umfassenden Diskretion gewiss sein«, bekräftigt er, leicht errötend vor Unmut, seine Loyalität so unverfroren auf dem Prüfstand zu sehen.
Quinn, die Schultern hochgezogen à la Churchill, verharrt in der Rahmung des Erkerfensters, als wartete er ungeduldig darauf, dass die Fotografen ihr Werk vollenden.
»Es gibt gewisse Brücken , die erst noch überquert werden müssen«, verkündet er seiner Spiegelung in der Scheibe in strengem Ton. »Ein paar ziemlich wichtige Leute hier ums Eck« – der Boxerschädel ruckt in Richtung Downing Street – »müssen ein gewisses grünes Licht erteilen. Wenn es kommt – falls es kommt, und keine Sekunde früher –, beginnt Ihr Einsatz. Von diesem Moment an, und so lange, wie ich es für richtig halte, werden Sie meine Augen und Ohren vor Ort sein. Keine Schönfärberei, verstanden? Keine von Ihren Diplomatenverklausulierungen und -ironisierungen. Nicht unter mir, nein danke. Sie werden mir ungeschminkt berichten, eins zu eins. Der unverstellte Blick durch die Augen des alten Profis, der Sie ja angeblich sein sollen. Hören Sie zu?«
»Absolut, Herr Minister. Ich höre zu, und ich verstehe genau, was Sie sagen« – seine eigene Stimme klingt wie aus einer fernen Wolke zu ihm.
»Haben Sie irgendwelche Pauls in der Familie?«
»Bitte was?«
»Himmelarsch! Was ist an der Frage nicht zu verstehen? Heißt jemand bei Ihnen in der Familie Paul? Bruder, Vater, was weiß ich?«
»Nein. Kein Paul weit und breit, leider Gottes.«
»Und Pauline? Die weibliche Form eben, Paulette, keine Ahnung?«
»Entschieden nein.«
»Wie steht es mit Anderson? Keine Andersons auf der Bildfläche? Als Mädchenname? Anderson?«
»Meines Wissens nicht, Herr Minister.«
»Und Sie sind halbwegs auf dem Damm? Körperlich? Ein flotter Marsch über raues Gelände zwingt Sie nicht in die Knie wie gewisse andere hier?«
»Ich bin ein großer Spaziergänger. Und ein passionierter Gärtner« – alles aus derselben fernen Wolke.
»Warten Sie, bis ein Mann namens Elliot Sie anruft. Elliot wird Ihr erstes Signal sein.«
»Und ist Elliot der Nachname oder der Taufname?«, hört er sich sagen, begütigend wie zu einem Irren.
»Wie zum Teufel soll ich das wissen? Er agiert undercover für eine Organisation namens Ethical Outcomes. Sie sind neu, können aber mit den Besten in der Branche mithalten, wie mir aus Fachkreisen versichert wird.«
»Verzeihung, Herr Minister, von welcher Branche sprechen wir?«
»Private Militärdienstleister. Wo leben Sie, Mann? Privat ist heutzutage die Devise. Der Krieg ist in Unternehmerhand, falls Sie das noch nicht mitgekriegt haben. Berufsarmeen haben ausgedient. Kopflastig, schlecht ausgestattet, ein Brigadegeneral für zehn Hanseln und sündteuer dazu. Setzen Sie sich ein paar Jährchen ins Verteidigungsministerium, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Oh, ich glaube Ihnen ja, Herr Minister« – bestürzt über diese Pauschalverurteilung des britischen Militärs, aber dennoch bestrebt, Entgegenkommen zu zeigen.
»Und Sie wollen Ihr Haus verscheuern, ja? Harrow, kann das sein?«
»Harrow, ja« – jenseits aller Verwunderung jetzt – , »North Harrow.«
»Geldprobleme?«
»O nein, ganz und gar nicht zum Glück!«, ruft er, dankbar für jedes winzige Stückchen Boden unter den Füßen. »Ich habe selbst ein wenig auf der hohen Kante, und meine Frau hat eine kleine Erbschaft gemacht, die ein Anwesen
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