Empty Mile
dünner, weißer Rauch von dem Metall auf.
Als Gareth mit dem Reifen fertig war, wiederholte er den Vorgang bei dem auf der anderen Seite. Dann ging er zurück und überprüfte den ersten.
»Ist ganz gut geworden. Sieh es dir an.«
Er entfernte sich, ich nahm seine Stelle ein. Die Bremsleitung sah noch intakt aus, aber jetzt schwitzte sie auf einer Länge von acht bis zehn Zentimetern offenbar Perlen einer rotbraunen Flüssigkeit.
Gareth stopfte die benutzte Glaswolle in die Flasche, drückte den Verschluss darauf und verstaute alles wieder im Rucksack.
»Die Leitung reißt garantiert, wenn er das erste Mal auf die Bremse tritt.«
»Was ist mit den Hinterreifen?«
»Dieses Auto hat ein sogenanntes diagonales Bremssystem – ein Kreislauf versorgt die linke vordere und rechte hintere Bremse, der andere umgekehrt. Wenn man irgendwo in das System ein Loch macht, sind beide Enden im Arsch. Und selbst wenn er die Hinterreifen mit der Handbremse abbremst, hilft uns das nur. Dann dreht sich das Auto entweder oder überschlägt sich.«
»Glaubst du, es kommt jemand dahinter?«
»Kommt drauf an, wie misstrauisch sie sind, wie gründlich sie ermitteln und wie beschädigt das Auto ist. Es ist immerhin fünfunddreißig Jahre alt. Da muss man mit Verschleiß und Materialermüdung rechnen Diese Bremsleitungen sehen einfach aus, als wären sie durchgerostet. Und selbst wenn jemand Verdacht schöpft, wie sollten sie auf uns kommen? Wir sind nur zwei harmlose Jungs aus der Kleinstadt. Du bist ein netter Kerl, der sich um seinen behinderten Bruder kümmert. Niemand weiß, dass wir mehr als nur oberflächlichen Kontakt mit Tripp hatten.«
Gareth entfernte sich von dem Carport.
»Was machen wir jetzt?«
»Warten, bis sie nach Hause kommen.«
Wir schlugen uns in den Waldstreifen neben dem Garten und arbeiteten uns zur Straße vor. Mir kam es unglaublich dumm vor, so nahe am Schauplatz unseres Verbrechens zu bleiben. Ich zupfte Gareth am Ärmel.
»Wäre es nicht besser, von hier zu verschwinden?«
»Wir können nicht einfach abwarten, bis dem Drecksack mal wieder nach einer kleinen Spritztour zumute ist. Wir müssen wissen, wann er nach Hause kommt und ab wann Vivian nicht mehr bei ihm ist. Darum verstecken wir uns hier unter den Bäumen und beobachten die Straße und Vivians Haus. Wenn sie wohlbehalten zu Hause ist, sorgen wir dafür, dass Jerry-Boy noch einen kleinen nächtlichen Ausflug mit dem Jaguar macht.«
»Wie?«
»Ich rufe ihn an. Das einzige Problem könnte sich ergeben, wenn er Vivian noch für ein klein wenig Matratzengymnastik mit zu sich nimmt.«
Wir versteckten uns ein paar Meter vom Straßenrand entfernt unter den Bäumen. Während wir sicher vor Blicken verborgen blieben, hatten wir freie Sicht auf einen Abschnitt der Straße und Vivians Haus. Jeremy Tripp und Vivian mussten nach dem Kino noch Essen gegangen sein, denn sie kamen erst knapp drei Stunden später nach Hause. Es war kalt, ich hatte die Augen zugemacht und döste unbequem, als ich ein Auto hörte, zuerst leise, dann zunehmend lauter, als es den langen Hang herauf zur Kreuzung mit der Eyrie Street kam. Inzwischen herrschte dämmeriges Halbdunkel. Als das Auto abbog, erstrahlte die Straße vor uns plötzlich im gelblichen Licht der Scheinwerfer.
Der Transporter fuhr in Vivians Einfahrt. Der Bewegungsmelder an der Vorderseite schaltete das Licht an. Einen Moment stand der Transporter im Leerlauf da, dann gingen Motor und Scheinwerfer aus. Jeremy Tripp und Vivian stiegen aus und unterhielten sich noch ein paar Minuten. Am Ende nahm er ihre Hand und mimte, als wollte er sie ihre Einfahrt entlangziehen. Vivian lachte, schüttelte den Kopf und winkte ihn fort. Nach einigen weiteren Worten umarmten und küssten sie sich, dann ging Tripp quer über die Straße zu seinem Haus und verschwand aus unserem Blickfeld. Vivian betrat ihr Haus. »Gute Nacht, du Schlampe«, hauchte Gareth.
Ich wollte aufstehen, aber er zog mich wieder hinunter und flüsterte: »Ich will ganz sicher sein, dass er nicht zurückkommt.«
Wir warteten noch einmal fünf Minuten, aber es tat sich nichts mehr auf der Straße, und so stapften wir durch den Wald zu Gareths Jeep zurück. In der Dunkelheit kamen wir noch schlechter voran. Mehr als einmal rutschten wir aus und landeten auf den Kiefernnadeln. Die Taschenlampe einzuschalten, wäre zu gefährlich gewesen. Zum Glück führte der Waldweg mitten durch diesen Teil des Hügels, sodass wir nur abwärts stolpern mussten, bis wir
Weitere Kostenlose Bücher