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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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ab und horchte angestrengt nach einem Auto, das von den Slopes heruntergefahren kam. Und betete die ganze Zeit, dass ich es nicht hören würde, dass Jeremy Tripps Auto das Carport nie verlassen würde.
    Er musste sterben. Das wusste ich. Stan und Marla und ich würden sonst nie vor ihm sicher sein. Aber in den dunklen, einsamen Minuten dort am Waldrand wünschte ich mir, wir hätten diesen Plan niemals ausgeheckt, ich hätte mich nie an Gareth gewendet und er hätte niemals zugestimmt.
    Zwanzig Minuten vergingen, und ich war immer noch allein. Ich ging in die Hocke. Ich hatte den Rucksack zwischen den Beinen, das Stück Rohr ragte daraus hervor. Laut Gareths Zeitplan blieb immer noch genügend Zeit, dass er zurückkehren konnte, bevor etwas passierte, aber in meiner panischen Angst redete ich mir längst ein, dass er nicht wiederkommen würde.
    Und er kam nicht. Ich verweilte fünf Minuten in der Hocke, da hörte ich einen schweren Motor aufheulen. Ich wollte, dass das Auto von links kam, dass es Gareth wäre, der auf dem Waldweg parkte und für mich übernahm. Ich versuchte, es mir einzureden, dass ich mich verhört hatte, doch es nützte nichts. Ich sah es zwar noch nicht, aber das Auto befand sich definitiv oben auf dem Berg und kam herunter.
    Ich stand auf und beugte mich um meinen Baumstamm herum. Einen Moment blieb die Straße so dunkel und verlassen wie die ganze Zeit schon, doch dann erblühten die Bäume oben auf der Hügelkuppe in gelbem Licht. Einen Moment sah ich nichts anderes, nur das Licht zwischen den Bäumen, als wäre es dort gefangen und käme nicht weiter, als würde der heulende Motorenlärm dagegen drücken, es gegen die Nacht pressen und durch den schrecklichen Druck verdichten.
    Und dann barst das Licht, das Auto tauchte auf dem Hügel auf und raste den langen Asphaltstreifen herunter. Zuerst machte die Entfernung es unmöglich, etwas hinter den harten, grellen Lichtkegeln der Scheinwerfer zu erkennen, aber ich hörte am Motor, dass es sich um den Jaguar handeln musste. Und weil es niemand sonst sein konnte.
    Jeremy Tripp fuhr schnell; es dauerte nur Sekunden, bis ich den vagen Glanz von Lack und Chrom hinter den Scheinwerfern sah. Und dann den Umriss des Autos selbst. Und dann das Glas der Windschutzscheibe, in dem sich die Sterne spiegelten.
    Ich stand wie erstarrt da und sah zwischen den Bäumen hindurch, wie die Hinterreifen des Autos blockierten und auf dem Asphalt qualmten. Die Vorderreifen drehten sich allerdings weiter, sodass das Heck des Fahrzeugs wegschmierte, bis es diagonal über die Straße rutschte, direkt in die Kurve hinein, und mit so hoher Geschwindigkeit, dass keine Chance bestand, es auf der Straße zu halten.
    Ich hatte mich direkt im Scheitelpunkt der Kurve versteckt; Jeremy Tripp rauschte zwanzig Meter an mir vorbei, bevor er in die Bäume krachte, doch ich spürte den Aufprall unter den Füßen und in allen Bäumen um mich herum. Und hörte, wie Metall auf Holz traf, als wäre ein monströses Artilleriegeschoss abgefeuert worden, das im Wald widerhallte und den Hügel hinauf verklang. Als es verstummte, schien ich mich in einem Vakuum zu befinden, als wären alle Geräusche des Waldes und selbst das Licht fortgerissen worden, sodass ich mich in einer stummen und fremden Traumwelt befand, wo man alles betrachten, aber nichts begreifen konnte.
    Nach und nach ertönte ein Geräusch in dieser neuen Welt, ein leises Zischen und darunter das Ächzen von abkühlendem, erhitztem Metall. Ich nahm den Rucksack und kroch zwischen den Bäumen dahin, bis ich zu den Trümmern von Jeremy Tripps Auto kam.
    Wenn er Glück gehabt hätte, wäre er in eine Gruppe dünner Schösslinge hineingerast, die ihn abgebremst und die Wucht des letzten Aufpralls gemildert hätten. Aber Jeremy Tripp hatte kein Glück gehabt. Er war ungebremst gegen einen Baum mit einem Stamm von einem Meter Durchmesser geprallt. Die lange Haube des Jaguars war gespalten und aufwärts verbogen, als hätte ein Riese versucht, das Fahrzeug entzweizureißen. Die ganze Vorderseite war so übel verbeult, dass ich nicht einmal die Räder erkennen konnte. Die Windschutzscheibe war geborsten, Splitter des Sicherheitsglases bedeckten funkelnd den Waldboden. Irgendwo unter der Karosserie stieg ein dünnes Dampfwölkchen empor; der Geruch von Benzin und heißem Wasser lag in der Luft.
    Jeremy Tripp saß nach vorn gesunken auf dem Sitz, das Kinn fast auf der Brust, sein Kopf nur wenige Zentimeter vom Rahmen der Windschutzscheibe

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