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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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Ringstraße nach fünfzehn Minuten, weitere zwei brauchte ich von dort bis zum Anfang des Waldwegs zum See.
    Dort musste ich langsamer machen. Alles in mir schrie, dass ich mich beeilen sollte, doch als ich zu schnell fuhr, verloren die Reifen des Pick-ups die Bodenhaftung, und wir gerieten in einer Kurve fast ins Schleudern.
    Zweihundert Meter vom Ende des Weges entfernt fanden wir den Datsun. Er war von der Straße abgekommen, glücklicherweise an der bergauf gelegenen Seite, und gegen einen Baum geprallt. Die Beifahrerseite war stark verbeult. Ich hielt an und rannte zu dem Auto, doch es war leer. Vor dem Beifahrersitz sah ich ein wenig Blut auf dem Armaturenbrett, aber nichts deutete auf eine schwere Verletzung hin.
    Wir fuhren den letzten Abschnitt des Weges hinauf, schossen hinaus ins Sonnenlicht. Ich musste den Pick-up scharf nach links herumreißen und auf die Bremse treten, damit wir nicht über die Rasenfläche und bis zum Uferstreifen rutschten. Marla und ich sprangen hinaus. Ich suchte den See und das Umland ab.
    Ich wusste nicht, wo ich nachsehen, welchen Teil des Sees ich absuchen sollte, um sicherzustellen, dass Stan noch lebte. Die Welt um mich herum bestand aus einer Abfolge blitzschneller Schnappschüsse, die verwackelten, wenn ich den Kopf drehte, und unmöglich zu verarbeiten waren. Mir war, als würde mir ein grelles Licht in die Augen scheinen, sodass ich nur die Ränder der Bilder sah, die ich anvisierte. Doch dann fand mein Gehirn den Anschluss, alle Bilder, die um mich herumwirbelten, fügten sich zusammen, und ich sah, was an diesem Tag am See geschehen war.
    Um diese Jahreszeit war es zu kalt zum Schwimmen. Nur zwei Fahrzeuge standen auf dem Parkplatz. Gareths und Davids Bungalow sah dunkel und unbewohnt aus, auch wenn eine dünne Rauchfahne vom Kamin aufstieg. Hinter dem Bungalow und den Hütten fiel mir der Holzsteg ins Auge. Das kleine Ruderboot, das normalerweise umgedreht am Ende lag, war nicht mehr da.
    Ich ließ den Blick über das Wasser schweifen und sah das Boot fast am anderen Ufer treiben – leer und nahe der lotrechten Felswand, die den See auf der anderen Seite begrenzte. Weit und breit keine Menschenseele, keine verzweifelt mit den Armen fuchtelnden Schwimmer, kein aufgewühltes Wasser, keine Wellen.
    Ich suchte das Ufer mit Blicken ab und wünschte mir, ich würde Stan und Rosie Händchen haltend dort sitzen sehen, während sie darauf warteten, dass ich das Problem ihres Autowracks für sie lösen würde. Aber ich sah sie nicht. Der Strand war verlassen, abgesehen von zwei älteren Paaren, die direkt am Wasser standen. Ich blickte an ihnen vorbei, weiter den Strand hinauf, aber etwas stimmte nicht. Die alten Leute betrachteten nicht das ruhige Gewässer oder genossen die Herbstsonne auf den Gesichtern. Sie unterhielten sich, erregt, wie es schien, und schauten sich jetzt verzweifelt um. Da wusste ich, wo Stan war, und rannte durch das Gras und den grobkörnigen Sand zum See.
    Eine der Frauen ergriff zuerst das Wort. Sie war um die siebzig. Die runzlige Haut ihres Gesichts wirkte angespannt vor Sorge.
    »Es sind gerade zwei Menschen ertrunken.«
    »Ein Mann und eine Frau?«
    »Ja, ja! Wir sahen sie da draußen, sie sind gerudert, und dann standen sie beide einfach auf und sprangen ins Wasser. Sie versuchten nicht einmal zu schwimmen.«
    Der Mann, der neben ihr stand, mischte sich ein. »Sie hielten sich an den Händen, als sie sprangen.«
    Die Frau nickte ungestüm. »Sie blieben etwa eine Minute an der Oberfläche, dann gingen sie unter und kamen nicht mehr hoch. Wir konnten nichts machen. Wir sind alt. Wir konnten nichts machen.«
    Die beiden Männer nickten und gaben zustimmende Laute von sich. Die andere Frau weinte.
    »Wie lange?«
    Einer der Männer schüttelte ernst den Kopf. »Es ist mindestens zehn Minuten her. Wir haben die Polizei gerufen. Sonst war niemand hier.« Er fuchtelte nutzlos mit dem Handy in seiner Hand.
    Ich tat das Einzige, was ich tun konnte. Ich zog mich aus und schwamm zu dem Ruderboot. Es war eine Strecke von fast zweihundert Metern, und ich war kein besonders guter Schwimmer. Als ich dort ankam, keuchte ich und musste mich an dem Ruderboot festhalten, um auszuruhen.
    Ich hatte keine Chance. Das Boot musste abgetrieben sein, die Chance war gleich null, dass ich mich an der Stelle befand, wo sie untergegangen waren. Und selbst wenn, der See war an dieser Stelle mehr als fünfzehn Meter tief und die beiden schon viel zu lange unten. Doch als ich

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