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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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dass jemand anderes mit dem Datsun weggefahren sein musste.
    »Was ist passiert? Warum hat Stanley auf diesen Mann geschossen? Ist er tot?«
    »Wo sind sie hin?«
    »Ich weiß nicht. Sie verschwanden eine Minute im Schlafzimmer, dann hat Rosie die Schlüssel genommen, und sie sind weggefahren.«
    »Haben sie nichts gesagt?«
    »Kein Wort. Rosie hat mich nur in die Arme genommen und sagte: ›Danke.‹ Ich weiß nicht, wofür, aber so hat sie mich nur drei oder vier Mal in ihrem Leben in die Arme genommen.«
    Auf Millicents Veranda wählte ich Stans Handynummer, aber er ging nicht ran. Marla und ich liefen die Wiese hinab, stiegen in den Pick-up und verließen Empty Mile.
    Zuerst fuhren wir in die Altstadt, und als wir sie dort nicht fanden, nach Back Town. Mit jeder Straße, die wir absuchten, wurde das Gefühl eines drohenden Unheils lastender. Marla versuchte es unablässig unter Stans Handynummer, aber es sprang jedes Mal sofort die Mailbox an.
    Unweit des Rathauses kam mir ein Gedanke. Ich fuhr an den restlichen Geschäften vorbei und nahm den Weg ins Industriegebiet von Oakridge. Wenn Stan von Schuldgefühlen zerfressen wurde, hatte er vielleicht den Ort aufgesucht, den er vermutlich als Ausgangspunkt aller Schuldgefühle betrachtete.
    Doch als wir die Lagerhalle von Plantagion erreichten, fanden wir auch dort keine Spur von dem orangeroten Datsun. Ich stieg dennoch aus dem Pick-up aus und sah mich um. Die Halle war abgeschlossen. Durch das Fenster sah ich, dass alle Büromöbel verschwunden waren. Wer immer Jeremy Tripps Erbschaft angetreten hatte, er hatte die Firma offenkundig abgewickelt. Ich ging einmal um das ganze Gebäude herum, fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass Stan irgendwo eingebrochen wäre. Als ich wieder im Pick-up saß, läutete mein Handy. Stan. Er sprach mit verträumter Stimme, als würde er etwas Wunderschönes betrachten.
    »Hi, Johnny …«
    »Wo bist du?«
    »Ist schon gut.«
    »Was meinst du damit, Stan? Ich möchte, dass du sofort wieder zur Blockhütte kommst.«
    »Rosie und ich haben darüber gesprochen. Und du darfst nicht traurig sein, Johnny, okay? Du darfst nicht traurig sein.«
    »Stan! Komm sofort zur Blockhütte zurück. Hol Rosie ans Telefon.«
    »Ich musste Gareth erschießen.«
    »Das weiß ich, und es ist okay. Ich bin nicht wütend auf dich.«
    »Ich weiß, Johnny. Du bist nie wütend auf mich. Du bist der beste Bruder auf der Welt.«
    »Stan, bitte. Wo bist du? Was hast du vor?«
    Ich hörte meine Stimme brechen und wusste, dass ich weinte, obwohl ich weder die Tränen auf den Wangen noch meine zugeschnürte Kehle spürte. Meine gesamte Wahrnehmung beschränkte sich auf die Stimme in meinem Ohr und die grässlichen Visionen, die mir durch den Kopf schossen.
    »Ich liebe dich, Johnny, und ich weiß, du hast es gut mit mir gemeint, mit Plantasaurus und dem Gold, dass du mich Rosie hast heiraten lassen und dich um mich gekümmert hast. Und ich erinnere mich an unsere ganze gemeinsame Zeit, seit du zurückgekommen bist, aber auch, als wir noch Kinder waren. Ich erinnere mich an alles und nehme es mit mir. Wie damals, als ich ertrunken und wieder aufgewacht bin. Als Erstes sah ich den Himmel, und der war so klar und blau, und als du mich angesehen hast, da warst du so besorgt, und ich dachte mir, wie sehr ich dich liebe, und daran hat sich auch nichts geändert, als du fort warst. Vergiss das nicht, Johnny. Denk nie etwas anderes.«
    »Stan, ich denke nichts anderes. Wir unterhalten uns zu Hause darüber.«
    »Du solltest meine Kostüme anziehen, Johnny. Wenn man sie trägt, hat man manchmal das Gefühl, dass einem niemals jemand wehtun kann.«
    »Stan, bitte … Du tust dir doch nichts an, oder? Ich würde es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt. Versprich es mir.«
    »Ich nehme dich im Herzen mit mir. Ich liebe dich, Johnny.«
    Er legte auf. Ich wählte sofort seine Nummer, doch er ging nicht mehr ran. Marla legte mir eine Hand auf den Schenkel.
    »Wo ist er?«
    Ich schüttelte den Kopf und wollte ihr sagen, dass ich es nicht wüsste, und dann traf es mich wie ein Schlag – er war am einzig logischen Ort.
    »Am See.«
    Ich legte den Gang des Pick-ups ein und raste wie ein Irrer los.
    Ich fuhr so schnell, ich konnte. Ich nahm den kürzesten Weg – auf der anderen Seite des Industriegebiets hinaus, dann die schmale Straße, die wir auch in der Nacht genommen hatten, als Stan die Lagerhalle von Plantagion angezündet hatte. Bei dem Höllentempo erreichte ich die

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