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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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ziemlich sicher, dass er die richtige DVD unter der Windjacke versteckte. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Wenn Pat sich etwas Persönlicheres angesehen hatte als eine Liebesgeschichte aus Hollywood – möglicherweise ein Familienvideo aus glücklicheren Zeiten –, was sollte ich mich da einmischen, wenn Bill diese Einzelheit des schrecklichen Ereignisses für sich behalten wollte? Also sagte ich nichts. Und Stan, der nicht auf die DVD geachtet hatte, sondern nur wollte, dass der Fernseher verstummte, hatte keine Ahnung, dass es etwas dazu zu sagen gegeben hätte.
    Stan und ich gingen wieder hinaus, doch Bill blieb bei seiner toten Frau im Schlafzimmer. Wir verbrachten noch eine halbe Stunde damit, Aussagen zu machen, die die Polizisten in einen Computer in ihrem Wagen eingaben; danach sagten sie uns, dass wir gehen könnten.
     
    Als wir nach Hause kamen, zog Stan seinen Captain-America-Anzug an, stülpte die Brille über die Maske und setzte sich vor den Fernseher. Ich machte ihm die Erdnussbutter-Sandwiches, um die er gebeten hatte, danach mampfte er und sah sich konzentriert eine japanische Zeichentrickserie an.
    »Wieso hast du das Kostüm angezogen?«
    »Hm?«
    »Das Kostüm. Warum?«
    Stan sah an sich hinab und strich den rot-weiß-blauen Stoff über seinem Bauch glatt. Er wandte sich wieder dem Fernseher zu und antwortete, ohne mich anzusehen. »Schutz.«
    Er antwortete nicht, als ich neugierig nachfragte, daher ging ich in die Küche, rief meinen Vater an und erzählte ihm das von Pat. Es wurde kein langes Gespräch. Ich schilderte knapp, was geschehen war, er erkundigte sich nach einigen Einzelheiten und schwieg dann. Mehrmals räusperte er sich, brachte aber kein Wort mehr heraus. Schließlich dankte er mir und legte auf.
    Ich ging nach oben in mein Zimmer, legte mich auf das Bett, rief Marla mit dem Handy an und teilte auch ihr die Neuigkeit mit. Wir vereinbarten, dass wir uns am nächsten Tag treffen würden. Ich legte das Telefon weg, drehte mich auf die Seite und machte die Augen zu. Die Fenster standen offen; ein heißer, träger Wind strich über mich hinweg.
    Ich erwachte, als Stan mich an der Schulter schüttelte. Draußen war es dunkel, aber das Licht in dem Zimmer eingeschaltet; Insekten schwirrten um die Glühbirne. Stan trug immer noch den Captain-America-Anzug.
    »Dad ist unten. Etwas stimmt nicht.«
    »Wie spät ist es?«
    »Er kam rein und ging in die Küche; als ich Hallo sagte, hat er nicht einmal den Kopf gehoben. Er hat einfach nur den Tisch angestarrt. Er hat eine Flasche Schnaps dabei.«
    »Schnaps?«
    »Ja, Schnaps.«
    »Er wird schon wieder, mach dir keine Sorgen. Ich sehe nach ihm. Geh du ins Bett.«
    »Soll ich nicht mit nach unten kommen?«
    »Nein, lass mich mit ihm reden.«
    »Okay, Johnny.«
    Ich begleitete Stan durch den Flur zu seinem Zimmer. Er schlüpfte unter die Bettdecke und nahm Brille und Maske ab.
    »Willst du das Kostüm nicht ausziehen?«
    Stan schüttelte den Kopf.
    »Kommst du klar wegen der Sache mit Pat?«
    »Ja. Mach dir um mich keine Sorgen, Johnny.«
    Er kuschelte sich in das Kissen, und einen Moment sah ich ihn wieder als kleinen Jungen und verspürte erneut ein Gefühl des Verlustes wegen all der Jahre, die wir nicht zusammen verbracht hatten.
    Ich löschte das Licht und ging nach unten, zu meinem Vater. Er saß im Anzug am Küchentisch. Die Krawatte hatte er gelockert, sein Haar sah zerzaust aus. Ein halb volles Glas und eine Flasche Whiskey standen vor ihm auf dem Tisch. Er blickte auf, als ich das Zimmer betrat, und lächelte gequält. Er gehörte zu den Leuten, die selten tranken, und schien sich fast ein wenig zu schämen.
    »Ich glaube, ich bin ein bisschen betrunken.«
    »Alles klar?«
    »Ich habe schon nach der Arbeit im Büro ein paar getrunken.«
    »Dad, ich weiß, dass du dich mit Patricia Prentice getroffen hast. Marla hat mir von dem Zimmer erzählt.«
    »Oh … verstehe.«
    Er nickte langsam. Alles an ihm wirkte zu schwer – die Worte, die er in der zu hellen Küche aus sich herauspresste, sein Kopf auf den Schultern, die auf dem Tisch angewinkelten Arme. Er wich meinem Blick aus und sah ständig auf seine Hände. Alles in allem wirkte er wie ein Mann, dem die Bürde des Lebens zu viel geworden war.
    Er hob das Glas und trank daraus wie ein Kind, das bittere Medizin hinunterzwingt, dann hustete er und wischte sich die Augen ab.
    »Pat brauchte emotionale Unterstützung. Ihr Fehler war, dass sie die bei mir gesucht hat.« Er

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