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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Stokoe
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scheißglücklich sein können.«
    Sie schlug die Hände vor das Gesicht, ließ sich gegen mich sinken und schluchzte.
    »Herrgott, Johnny, Herrgott …«
    Ich hielt sie fest, ließ sie weinen und sah blicklos durch die Windschutzscheibe. Die Stadt ging ihren Geschäften nach, Leute schlenderten auf den Bürgersteigen dahin, Autos fuhren die Straße entlang, aber ich sah nichts durch das Glas, nur den kalten Glanz meiner eigenen Schuld. Später, als Marla sich beruhigt hatte, ging sie wieder zur Arbeit, und ich fuhr lange über die Landstraßen, riss sämtliche Fenster auf und ließ die Luft hereinströmen.

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    Kapitel Elf
    An dem Tag, als sie Patricia Prentice beerdigten, wurde mein Vater fast getötet. Und weil ich sein Angebot annahm, mit ihm in die Stadt zu fahren und zu frühstücken, bevor er zur Arbeit ging, wäre ich auch beinahe mit draufgegangen.
    Zuvor hatte ich versucht, mit ihm über Patricia zu reden, doch als ich das Thema zur Sprache brachte, reagierte er einsilbig und argwöhnisch. Er gab so gut wie nichts preis und betonte nur, dass es ihm gut ginge und ich mir um ihn keine Sorgen machen müsste. Ich hakte nicht nach, da ich aus Erfahrung wusste, dass er seine Trauer tief in seinem Innersten verarbeiten würde, in diesem abgeschotteten Teil seines Selbst, wo er seine Emotionen einschloss.
    Das Ende unserer Straße mündete in eine lange Landstraße, die bergab führte. Als mein Vater auf sie abbog, sah ich, dass er die Stirn runzelte.
    »Die Bremsen greifen nicht richtig.«
    Er zuckte die Achseln und kurbelte sein Fenster herunter. Wir beschleunigten, und er sog gierig die Luft ein, die hereinströmte.
    »Ich mag diese frühe Stunde. Bevor alles anfängt.«
    Er runzelte wieder die Stirn.
    »Die Bremse fühlt sich echt komisch an.«
    Um diese Zeit herrschte wenig Verkehr, und da es bergab ging, hatten wir bald fünfzig Meilen die Stunde drauf. Hundert Meter vor uns machte die Straße eine scharfe Kurve nach links, wo sie einen Abwasserkanal überquerte und dann weiter in der Ebene verlief. Wir mussten rasch bremsen, damit wir die Kurve schafften, doch das Auto wurde immer schneller. Ich sah meinen Vater an. Er blickte starr durch die Windschutzscheibe und hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass die Knöchel weiß unter der braunen Haut seiner Hände vortraten. Mit dem rechten Fuß trat er mehrmals hastig das Bremspedal durch. »Die Bremse funktioniert nicht!«, rief er. »Festhalten!«
    Er zog die Handbremse; das Kreischen der blockierenden Hinterreifen wurde zu einem weiteren Geräusch in der Kakofonie des Lärms, die plötzlich allgegenwärtig zu sein schien – der Automotor, das Tosen des Fahrtwindes über dem Asphalt, unsere klopfenden Herzen, unser rauschendes Blut, unsere Schreie in den letzten, schwindelerregenden Sekunden, als wir in die Kurve schossen und mein Vater das Lenkrad herumriss und gegen das Gewicht des Autos ankämpfte.
    »Schütz dein Gesicht, Johnny!«
    Dann das Heulen der Reifen, als sie die Bodenhaftung verloren und das Auto, das jetzt völlig außer Kontrolle seitwärts schlitterte, über die Kurve rutschte wie auf Öl, bis die weißen Streifen der Leitplanke plötzlich unmittelbar vor meinem Fenster auftauchten. Und dann der Aufprall, ein kurzer, explosionsartiger Knall und ein Schauer von Glassplittern, eine abschließende Vierteldrehung, das übelkeiterregende Absacken, als das Heck des Autos die Leitplanke durchbrach und über den Betonrand des Abwasserrohres hinausragte, das Kreischen von Metall, das über den Asphalt streifte. Und dann Stille.
    Als alles aufhörte, bewegte sich im ersten Moment keiner von uns, da wir sicher waren, wir müssten schlimm verletzt sein und jede Bewegung würde uns den fatalen Charakter unserer Verletzungen zeigen. Doch die Sekunden verstrichen, und weder starben wir, noch strömte irgendwo Blut, und so schälten wir uns langsam aus der Haltung, in der wir uns befanden.
    »Alles in Ordnung, Johnny? Bist du verletzt?«
    Ich spannte Arme und Beine. Ich hatte mir den Kopf am Türrahmen angeschlagen und kleine Schnittwunden auf den Handrücken, aber darüber hinaus schien ich unverletzt zu sein.
    »Nein, glaube nicht. Und du?«
    Mein Vater bewegte sich zaghaft auf dem Sitz, dann lächelte er, als könnte er es nicht glauben. »Tja, ich glaube, ich bin auch unverletzt.«
    »Du blutest ein wenig.«
    Er hatte eine kleine Schnittwunde am Wangenknochen, ein Tropfen Blut war ihm zur Hälfte seitlich am Gesicht hinabgelaufen. Ich zeigte

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