Empty Mile
schüttelte angewidert den Kopf. »Ich konnte ihr nicht geben, was sie brauchte. Nicht, dass ich es nicht gewollt hätte. Das schon. Ich habe es einfach nicht in mir.«
»Ich glaube so oder so nicht, dass du viel hättest tun können. Sie war eine kranke Frau.«
Mein Vater schenkte sich noch ein Glas ein und trank. Er war ziemlich betrunken. Bald sprach er nur noch nuschelnd.
»Was mich krank macht, ist, dass mir immer durch den Kopf ging, wenn ich lange genug bei ihr bliebe, dann würde irgendwie ein wenig von ihrem Wohlstand auf mich abfärben. Und die ganze Zeit, während ich nur an Geld dachte, dachte sie daran, sich umzubringen.«
Er sank nach vorn auf den Tisch und legte den Kopf auf die Arme. Ich wartete ein paar Minuten, bis ich dachte, er müsste eingeschlafen sein. Ich wollte ihn wecken und versuchen, ihn ins Bett zu schaffen, doch als ich ihn schüttelte, befahl er mir, ihn zu lassen, wo er war. Viel mehr konnte ich nicht tun, daher stellte ich ein Glas Wasser neben ihn auf den Tisch und ging hinaus. Als ich bei der Tür war, rief er mir noch etwas zu.
»Johnny, dieser Freund von dir … Gareth.«
»Was ist mit ihm?«
»Mit einem wie ihm solltest du dich nicht abgeben.«
Er zeigte mit dem Finger auf mich. Sein Gesicht sah aufgedunsen und verzerrt aus, seine Augen blickten blutunterlaufen.
»Hast du gehört?«
»Ja.«
»Gut …«
Er ließ den Kopf wieder auf die Arme sinken und atmete schluchzend aus.
Der Raum machte einen trostlosen Eindruck, als wäre alles außerhalb leer und einsam. Die elektrische Uhr am Herd tickte quälend die Minuten herunter, und durch das Licht der Glühbirne an der Decke wirkte alles dreckig an den Rändern und Kanten. Ich fühlte mich schrecklich traurig, als ich dastand und meinen Vater betrachtete. In dem Moment kam es mir so vor, als wäre die Welt nichts anderes als ein Ort, wo die Menschen vor die Hunde gingen.
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Kapitel Zehn
Stan fragte mich am nächsten Tag, ob ich ihn zur Arbeit fahren könnte. Es schien unwahrscheinlich, dass Bill Prentice sich sehen lassen würde, daher wollte er so viel er konnte helfen. Als ich ihn abgesetzt hatte, fuhr ich nach Back Town, um mich mit Marla zu treffen. Sie arbeitete in einem modernen Zweigstellengebäude, das die Stadt einen Häuserblock vom Rathaus entfernt eigens für die Verwaltung erbaut hatte. Wir gingen in ein Café namens Black Cat, das sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand. Es war ein einfaches Lokal mit schmucklosen Tischen und harten Stühlen und existierte schon lange, bevor die Goldrauschnostalgie zum vorherrschenden Motiv für das Interieur von Restaurants in Oakridge wurde.
Um die Frühstücks- und Mittagzeit wimmelte es hier von Angestellten der umliegenden Geschäfte, aber den Vormittag über war das Lokal so gut wie menschenleer; Marla und ich hatten freie Auswahl unter den Tischen. Wir setzten uns ganz vorn an eines der großen Schaufenster. Um uns herum ließ das Sonnenlicht die Staubkörnchen tanzen, während das gelegentliche Klirren von Geschirr in der Küche die Stille im Raum noch betonte.
Marla sah schick aus in ihrer Bürokleidung, aber unter Lippenstift und Lidschatten sah ich, dass sie blass war, ihre Augen wirkten müde.
Wir redeten über Pats Selbstmord. Als ich ihr sagte, dass es nach einer Überdosis Schlaftabletten aussah, verkrampfte sie sich und zerknüllte die Serviette in den Händen.
»Was für Schlaftabletten?«
»Halcion.«
»O Gott …« Sie machte einen Moment die Augen zu. »Die habe ich ihr gegeben.«
»Was?«
»Ich habe ihr die Tabletten gegeben.«
»Damit sie sich umbringt?«
»Nein! Herrgott, Johnny. Sie konnte nicht schlafen und wollte etwas haben. Ich wollte ihr etwas Gras besorgen, aber als ich Gareth fragte, hatte er nur die Tabletten.«
»Moment mal, warum bittest du Gareth um etwas?«
»Weil er der Einzige für so etwas ist, den ich kenne.«
»Und darum hast du … regelmäßig Kontakt mit ihm?«
»Großer Gott! Hast du nicht gehört, was ich sage? Ich habe gesagt, dass sie die Tabletten von mir hat, und du machst dir Gedanken darüber, ob ich mich mit Gareth treffe?«
»Triffst du dich mit ihm?«
»Scheiße.« Marla atmete aus und bemühte sich, nicht wütend zu werden. Sie streckte den Arm über den Tisch aus und nahm meine Hand. »Warum sollte ich mich mit Gareth treffen?«
Sie sah mich so lange gleichmütig an, bis ich aufgab.
»Okay … Okay, tut mir leid. Du und Pat … habt ihr euch nahegestanden?«
»Manchmal
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